Meinung Was darf der SWR? Und was hat das mit der RHEINPFALZ zu tun?

Rundfunkbeitrag Symbolbild
Rundfunkbeitrag Symbolbild

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist ein Segen für unser Land – aber reformbedürftig. Wieso allerdings Differenzierung in der Debatte nötig ist, kommentiert RHEINPFALZ-Chefredakteur Yannick Dillinger.

Wenn der Chefredakteur eines privatwirtschaftlichen Verlags wie der RHEINPFALZ über die finanzielle Ausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) schreibt, sollte er eines direkt sein lassen: zu behaupten, er sei unparteiisch. Also, der Disclaimer gleich zum Start: Ich bin nicht unparteiisch. Ich bin Chefredakteur in einem Verlag, der das Gehalt seiner Redaktion selbst erwirtschaften muss: mittlerweile zum Großteil über den Verkauf von Abos, aber auch über Werbung – beides gedruckt wie digital. Das ist ein gravierender Unterschied zum Beispiel zum SWR, der über den Rundfunkbeitrag gebührenfinanziert ist.

RHEINPFALZ und SWR haben große Schnittmengen in der Zielgruppe: Beide Häuser haben die Menschen in Rheinland-Pfalz im Fokus. Bei sehr wichtigen Themen recherchieren RHEINPFALZ und SWR mitunter zur gleichen Zeit am gleichen Ort. So weit, so normal bei Medien mit Überschneidungen im Verbreitungsgebiet.

Andere Zeiten

In Zeiten, in denen die Zeitung Zeitung machte und die Öffentlich-Rechtlichen Audio und Bewegtbild anboten, war das Revier klar abgesteckt. Die RHEINPFALZ bietet mittlerweile aber auch Audio an. Und Bewegtbild. Sie bereitet ihre Texte digital auf. Der SWR wiederrum macht – natürlich - weiterhin Audio. Und Bewegtbild. Aber eben auch ein bisschen Zeitung. Er bietet immer mehr Texte digital an – als Ergänzung zum Multimedia-Angebot. Verständlicherweise zielt auch der SWR mit Angeboten auf Social Media darauf ab, jüngere Menschen mit verlässlich richtigen Nachrichten zu versorgen. Schließlich ist sein Auftrag nicht auf die Generation TV begrenzt.

Nun könnte man lapidar konstatieren: Konkurrenz ist doch legitim und belebt das Geschäft. Stimmt und stimmt nicht. Stimmt, weil uns die Kollegen mit Recherchen ärgern und anstacheln (umgekehrt passiert das zum Glück mindestens genauso oft). Stimmt nicht, weil es keine Chancengleichheit gibt.

Wenn etwa die Südwestpfalz unter Wasser steht, Kollegen der RHEINPFALZ in Zweibrücken und Pirmasens sich das lange Wochenende um die Ohren schlagen und neben einem Liveticker Hintergründe und menschelnde Geschichten ran recherchieren, dann macht uns das stolz und Leser froh. Wer vom Ticker aber zu den Hintergründen springt, stößt bei uns an eine Bezahlschranke. Mit Online-Werbung ist keine Regionalredaktion der Republik zu finanzieren. Der SWR berichtet ebenfalls umfangreich über das Hochwasser – ohne Paywall, die den Zugang auf Abonnenten beschränkt, ohne Online-Werbung, die die Webseite langsam macht. Google straft langsame Seiten ab – ein klarer Vorteil für den SWR.

Grundversorgung oder Bonus?

In solchen Fällen argumentieren Verlage wie die RHEINPFALZ mit einer Presseähnlichkeit auf den Webseiten der Öffentlich-Rechtlichen, die über die via Medienstaatsvertrag definierte Grundversorgung der Deutschen mit Informationen hinausgeht. Der SWR erhält durch den Rundfunkbeitrag einen unlauteren Vorteil, so das Urteil. Einen Vorteil, der die Vielfalt der Medienlandschaft gefährde, kommentiert der stellvertretende Chefredakteur der RHEINPFALZ, Uwe Renners. SWR-Vertreter halten dagegen, dass in solchen Lagen eine breite Weitergabe von Informationen einen lebenswichtigen Unterschied machen kann. Wer würde da widersprechen? Nur: Wo hört Grundversorgung auf, wo fängt Bonus an?

Unter anderem um diese Frage geht es bei der aktuellen Debatte um die Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Womit wir beim aktuellen Thema wären: die Reform. Wer sich dieser Tage mit Journalisten aus Verlagen unterhält, weiß danach mit nahezu 100-prozentiger Sicherheit: Die Öffentlich-Rechtlichen brauchen definitiv eine Reform. So wie bisher geht’s nicht weiter. Das hat auch der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger in einer Kampagne vor der Abstimmung der Ministerpräsidenten klargemacht und postuliert: Wenn sich nichts ändert, stirbt die Medienvielfalt im Land.

Wer sich dieser Tage mit Journalisten aus Rundfunkanstalten unterhält, hört kurioserweise keine grundsätzliche Widerrede. Die Verschlankung des über Jahrzehnte immer stärker gefütterten Verwaltungsapparats oder der Abbau von Doppelstrukturen sind auch innerhalb des ÖRR keine Tabuthemen mehr. Kai Gniffke etwa, Chef des SWR und qua Amt ausgerechnet in dieser Zeit mit dem ARD-Vorsitz betraut, begrüßt die Debatte über den ÖRR der Zukunft. Er sagt aber auch, dass bereits vieles längst optimiert oder angeschoben sei. Die ARD habe nämlich ganz genau das gleiche Ziel wie die Länder: den öffentlich-rechtlichen Rundfunk effizient, modern und vor allem zukunftsfest aufzustellen. „Wir gehen unseren schon eingeschlagenen Weg der Erneuerung und der Reformen konsequent weiter.“

Vereinfachende Debatte

Und hier kommen wir zum springenden Punkt: Die Debatte um die finanzielle Ausstattung des ÖRR ist so schwarz-weiß wie viel zu viele Auseinandersetzungen in diesen Zeiten. Das lässt sich auch ablesen in der Berichterstattung über dieses epochale Momentum. Da taugt auf der einen Seite jeder Skandal um verschwendete Beitragsgelder zum pars pro toto. Da ist auf der anderen Seite jede Kritik von Verlagen ein Von-sich-weisen jeder eigenen Schuld an der Misere.

Dabei wäre eine tief gehende Diskussion um den ÖRR der Zukunft so wichtig wie er selbst. Andere Länder beneiden uns zurecht um unsere Rundfunkanstalten, ermöglichen die doch mit ihrem Information-für-alle-Auftrag eine möglichst mündige Gesellschaft, unabhängig von Einkommen und Abo-Affinität. Wie textbasiert und wie tief gehend sie dabei sein dürfen, das muss ganz unbedingt verhandelt werden. Aber doch bitte ohne alte Plattitüden, Totschlagargumente und das Wiederholen von Narrativen, die auf die Nachdenk-, aber nicht auf seriöse Seiten gehören.

Genauso wenig zielführend ist übrigens der Hinweis, Verlage würden das eigene Versagen bei der Transformation kaschieren durch Klagen gegen Konkurrenten: gegen Google, KI-Anbieter oder Öffentlich-Rechtliche. Die RHEINPFALZ investiert viel in die Weiterentwicklung ihres Journalismus. Wir stellen Strukturen in Frage, experimentieren mit Darstellungsformen und Kanälen. Dabei sind gerade auch SWR-Kollegen spannende Sparringspartner auf Augenhöhe. Kollegen, die sich ebenfalls verwundert die Augen gerieben haben, als etwa die Tagesschau im Vorfeld der Debatte am Freitag auf ihren Kanälen den Eindruck vermittelte, ihr solle jegliche Online-Berichterstattung in Textform verboten werden - was nie zur Diskussion stand.

Klar ist: Die RHEINPFALZ gewinnt nicht plötzlich tausende Abonnenten und Werbepartner, wenn der SWR seine Texte im Netz drastisch reduziert – auch wenn das manch ein Kollege nun behauptet. Der SWR verliert nicht seine Daseinsberechtigung, wenn er weniger „Talk of the town“ aus den Kommunen in der Pfalz macht – auch wenn das manch ein Angestellter nun postuliert. Eine Co-Existenz ist sehr wohl möglich, wenn der Rahmen klarer als bisher gefasst ist. Gut, dass sich schlaue Menschen dazu jetzt Gedanken machen.

Es gibt Einsparpotenzial

Einsparpotenzial gibt es beim ÖRR auf jeden Fall: Wieso müssen ARD und ZDF getrennte Mediatheken haben? Warum diskutieren dieselben Experten zu denselben Themen in derselben Woche in unterschiedlichen Talkshows? Weshalb muss der SWR so, so viele RHEINPFALZ-Recherchen nachrecherchieren, statt zu verlinken? Alles Themen, die die Ministerpräsidenten aufgenommen haben.

Einem fruchtvollen Austausch jedenfalls ist zu wünschen, dass Farbe und Differenzierung in die Debatte kommen. Plumpes Bashing können wir doch auch weiterhin den Populisten überlassen, oder? Also: Reform - ganz unbedingt. Kahlschlag - ganz unbedingt vermeiden.

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