Rheinland-Pfalz Kandel: 100.000 Euro Kosten für Abul D. bis zur Tat
Ehe er seine Ex-Freundin Mia in Kandel erstach, ist Abdul D. 582 Tage lang als minderjähriger Flüchtling betreut worden. Dafür hat das Land insgesamt 100.000 Euro bezahlt: Anfangs müssen für den Afghanen rund 180 Euro pro Tag ausgegeben worden sein, später fiel eine niedrigere Pauschale an. Denn in den letzten Wochen vor der Tat wurde er nur lose beaufsichtigt.
«Kandel.» Es war ein umstrittener Umzug, den Abdul D. am 12. September 2017 absolvierte. Ein gutes Jahr lang hatte er mit Rund-um-die-Uhr-Aufsicht im südpfälzischen Wörth gelebt: in einer Einrichtung für minderjährige Flüchtlinge, die ohne Eltern eingereist sind. Nun sollte er in eine Wohngemeinschaft für junge Zuwanderer, die weniger intensiv umsorgt werden. Doch seine bisherigen Betreuer warnten: Die neue Freiheit in Neustadt könnte den Afghanen überfordern. So jedenfalls hat die Staatsanwaltschaft Pädagogen-Debatten rekonstruiert, nachdem Abdul D. Ende 2017 seine Ex-Freundin Mia in Kandel erstochen hatte. Mittlerweile ist auch durchgesickert, was die Behörden bis zur Tat für die Betreuung des Afghanen ausgegeben haben. In einer Antwort des Germersheimer Landrats Fritz Brechtel (CDU) auf Fragen der AfD-Kreistagsfraktion sind aufgelistet: rund 400 Euro Krankenhilfe, 1700 Euro für einen Sprachkurs, 75.800 Euro für die Betreuung und 9600 Euro für die Miete in Wörth, 13.200 Euro für die Unterbringung in Neustadt.
Im Monatsschnitt fielen 5300 Euro an
Die zunächst vom Kreis bezahlten und später vom Land übernommenen Beträge summieren sich auf exakt 100.677,91 Euro. Die Germersheimer Verwaltung hat auch gleich ausgerechnet, was für den Zuwanderer im Monatsdurchschnitt bezahlt worden ist, sie kommt auf etwa 5300 Euro. Genau betrachtet war die Betreuung allerdings anfangs teurer – und später günstiger: Den Kreis-Zahlen zufolge muss die als „vollstationär“ eingestufte Unterbringung in Wörth pro Tag etwa 180 Euro gekostet haben, während es in Neustadt nurmehr etwa 125 Euro waren. Allerdings hat der nichtöffentlich geführte Landauer Mordprozess gegen Abdul D. bislang keine Anhaltspunkte dafür geliefert, dass Behörden mit seinem Umzug Geld sparen wollten. Vielmehr scheint das Jugendamt pädagogische Argumente für den Wechsel angeführt zu haben. Etwa, dass der nach eigenen Angaben damals 15-jährige, in Wirklichkeit aber wohl ältere Jugendliche in der Neustadter Wohngemeinschaft selbstständiger werden solle. Oder dass er in der recht kleinen Gruppe einen besseren Draht zu seinen Betreuern bekommen könnte. Obendrein ging es beim Umzug nicht nur um Abdul D., sondern auch um einen etwa gleichaltrigen Angehörigen des Afghanen. Die beiden Jugendlichen hatten sich gemeinsam nach Deutschland durchgeschlagen, sollten auch hier zusammenbleiben. Doch der Verwandte wollte weg aus der Wörther Einrichtung – angeblich, weil er dort mit den recht strengen Vorschriften, aber auch mit dem Essen unzufrieden war. Allerdings gab es schon bald nach dem Wechsel Anzeichen dafür, dass zumindest für Abdul D. die neue Unterkunft tatsächlich die falsche sein könnte.
Betreuer kamen nur stundenweise vorbei
Denn in Neustadt kamen Betreuer zumeist nur nachmittags für einige Stunden vorbei. Ob sich die Bewohner beispielsweise an die Ausgehzeiten hielten, wurde daher nur stichprobenartig kontrolliert. Trotzdem fiel den Ermittlungen zufolge ab Oktober auf, dass Abdul D. gegen Regeln verstieß. Bald drauf kriselte seine Beziehung zu seiner 15 Jahre alten Ex-Mitschülerin Mia. Ende November soll er auf einem Wörther Schulhof einem Jugendlichen mehrfach die Faust ins Gesicht geschlagen und so dessen Brille zertrümmert haben, weil er ihn für einen Nebenbuhler hielt. Als Mia dann mit ihm Schluss gemacht hatte, wurden vom Handy des Afghanen aus Bilder ins Internet gestellt, die das Mädchen diskreditieren sollten. Und die Neustadter Betreuer beschlossen: Abdul D. muss anderswo untergebracht werden. Ein Besprechungstermin mit dem Jugendamt wurde für den 28. Dezember angesetzt. Da allerdings saß der Afghane bereits im Gefängnis. Einen Tag zuvor hatte er Mia erstochen.