Rheinland-Pfalz „Man greift nicht mal zum Hörer“

(kad). Nachdem sie am Mittwoch ihre völlig umgekrempelte neue Regierungsmannschaft vorgestellt hatte, stand Ministerpräsidentin Malu Dreyer gestern dem Sozialausschuss des Landtags Rede und Antwort darüber, ob Geld aus dem europäischen Sozialfonds in ihrer Zeit als Sozialministerin nach Recht und Gesetz vergeben wurde.

MAINZ

Die CDU im Landtag untersucht seit mehr als einem Jahr, welche Rolle die Trierer Firma Schneider Organisationsberatung in der Arbeitsmarktförderung des Landes spielt. Schneider tritt im Auftrag der Regierung als Berater von Projektträgern auf, ist deren erster Ansprechpartner und prüft in einem ersten Schritt die Anträge. Die Opposition hegt den Verdacht, dass sich um Schneider herum ein „Beratungskartell“ entwickelt habe, zu dem auch das Mainzer Institut für Sozialpädagogische Forschung gehöre. Beide sind neben ihren Aufgaben als Berater beziehungsweise als Evaluator selbst als Projektträger aufgetreten, worin die CDU eine Interessenskollision sieht. Außerdem habe es unter Dreyer als Sozialministerin eine zu geringe Distanz der Regierung zu den Beratern und Projektträgern gegeben. Es geht um viel Geld: 607 Millionen Euro gab das Land in den vergangenen 20 Jahren für die Arbeitsmarktpolitik aus, knapp die Hälfte davon aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds ESF. Dreyer ruderte zunächst hinter frühere Aussagen zurück: Hatte sie vor gut einem Jahr gesagt, der Landesrechnungshof habe die Vergabe der ESF-Mittel in den Jahren von 1994 bis 2008 geprüft und habe nur minimale Beanstandungen gehabt, so differenzierte sie nun, dass der Rechnungshof nicht sämtliche Projekte geprüft habe, sondern nur eine von ihm selbst festgelegte Stichprobe. Der geschäftsführende Gesellschafter Heiner Schneider hatte im Sommer gegenüber der RHEINPFALZ gesagt, der Fall, in dem er als Projektträger aufgetreten sei, sei vom Landesrechnungshof geprüft worden. Der Rechnungshof hatte dies später dementiert. Dass Schneider überhaupt als Projektträger aufgetreten sei – es ging darum, Menschen mit ausländischen Wurzeln für den Arbeitsmarkt zu qualifizieren – sei eine „absolute Ausnahme“ gewesen, sagte Dreyer auf eine Frage der sozialpolitischen Sprecherin der CDU-Fraktion, Hedi Thelen. Schneider und andere hätten zunächst über ein Bundesprogramm Geld für das Projekt erhalten. Dann sei die Bundesförderung ausgelaufen. Weil aber das Projekt in das Integrationskonzept gepasst habe, sei es vom Land weitergeführt worden. Auf die Frage des stellvertretenden CDU-Fraktionschefs Christian Baldauf, wie die Abläufe von einer politischen Idee für ein Projekt bis zur Umsetzung seien, sagte Dreyer flapsig: „Es ist nicht so, dass ich den Hörer in die Hand nehme und sage, ,Hörn’se mal, können se das mache?’“. Dafür habe eine Ministerin Mitarbeiter. Auf Baldaufs Frage, wie lange sie Schneider kenne, sagte sie zunächst, sie kenne viele Projektträger schon sehr lange. Dann fügte sie aber in strengem Ton hinzu: „Ich distanziere mich in aller Deutlichkeit von der Unterstellung, die Sie mitlaufen lassen. Das geht ein Stück zu weit.“ Hintergrund ist, dass Schneider bis 1994 unter anderem mit Klaus Jensen – seit 2004 Dreyers Ehemann – ein gemeinsames Beratungsbüro hatte.

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