Rheinland-Pfalz Schutz der Natur, aber auch Entwicklung

LAMBRECHT (jüm). Seit Jahresbeginn ist der Bezirksverband Pfalz Träger des Naturparks Pfälzerwald. Wie soll die Zukunft dieses einzigartigen Waldgebietes aussehen? Vor allem beim Thema Windkraft gehen dazu die Meinungen der sechs von der RHEINPFALZ befragten Spitzenkandidaten auseinander.

Die Bezirkstags-Koalition von CDU, FDP und Freien Wählern (FWG) positioniert sich grundsätzlich gegen Windräder im Pfälzerwald: Ihre Aufstellung wäre „falsch“ und angesichts anderer geeigneter Flächen „nicht notwendig“, sagt Theo Wieder, Spitzenkandidat der CDU. Günter Eymael (Platz 1 der FDP-Liste) verweist auf den einstimmigen Beschluss der pfälzischen Liberalen, wonach es im Naturpark keine Windräder geben soll. „Der Pfälzerwald muss von Windkraftanlagen freigehalten werden“, meint auch FWG-Spitzenkandidat Manfred Petry. Die Gegenposition vertreten vor allem Grüne und Linke: Die Energiewende müsse „konsequent fortgeführt werden“, betont Linke-Spitzenkandidatin Brigitte Freihold. Windkraftanlagen wären am Rande des Pfälzerwaldes, entlang stark befahrener Verkehrsachsen oder bei Gewerbegebieten zulässig. Allerdings sollten nicht einzelne Gemeinden, sondern interkommunale Zusammenschlüsse wie Planungsgemeinschaften dafür Planungsrecht erhalten. Windräder im Pfälzerwald seien „nicht per se Teufelswerk“, so Ruth Ratter, Spitzenkandidatin der Grünen. Der Klimawandel stelle die größere Bedrohung dar. Anbieten würden sich Flächen, die entsprechende Windverhältnisse aufweisen und bereits durch Wege und Stromleitungen erschlossen seien. Ziel der Grünen sei die dezentrale Versorgung unter Einbindung der Bürger sowie der Gemeindewerke und Netzbetreiber. Dabei hätten „Naturschutzkriterien Berücksichtigung zu finden“. Die SPD, die in Mainz zusammen mit den Grünen die Landesregierung stellt, sucht einen Mittelweg: Einerseits bekennt sich ihr Spitzenkandidat Günther Ramsauer zu dem von CDU, FDP und FWG geforderten „Moratorium“: Danach sollen mindestens zwei Jahre lang keine Windräder im Pfälzerwald aufgestellt werden. Diese Zeit soll genutzt werden, um eine „Gesamtlösung“ (Theo Wieder) für die weitere Entwicklung des Naturparks zu entwerfen. Andererseits sind auch für die SPD Windräder „höchstens dort vorstellbar, wo es schon vorher eine technische Nutzung gab und Anbindungen und Zuwegungen vorhanden sind“. Dies betreffe vor allem einige wenige Konversionsflächen. Ohnehin kämen unter Wirtschaftlichkeits-Gesichtspunkten nur wenige Standorte in Frage. Und die müssten dann auch noch vor Ort mehrheitsfähig und mit den Planungsgemeinschaften konsensfähig sein. Unabhängig vom Reizthema Windkraft stellt sich ganz grundsätzlich die Frage, wie der Bezirkstag seine ihm neu zugewachsene Verantwortung für den 1800 Quadratkilometer großen Naturpark wahrnehmen will: Soll der Schutz der Natur Vorrang haben? Oder soll die Entwicklung der Region etwa im Hinblick auf Freizeitangebote vorangetrieben werden? Theo Wieder plädiert für eine „abwägende Diskussion aller wesentlichen Belange“ und gegen eine „Kampfdiskussion mit dem Ziel, einzelne Interessen zu bevorzugen“. Aus Sicht von Günter Eymael sind Schutz- und Erholungsfunktion gleichberechtigt. Dringend notwendig sei eine Vereinheitlichung bei der Kennzeichnung des Wanderwegenetzes, so der Liberale. Das Hüttenwesen müsse als Alleinstellungsmerkmal der Region erhalten und ausgebaut werden. Ähnlich wie Eymael setzt sich Manfred Petry für ein touristisches Gesamtkonzept für den Pfälzerwald ein: Es sollte eine „Dachmarke Pfalz mit gemeinsamen Vermarktungs- und Werbestrategien entwickelt werden“. Der Naturpark diene gleichermaßen dem Naturschutz wie auch der Erholung von Bewohnern und Gästen, beantwortet Ruth Ratter die Frage, welcher Aufgabe Vorrang einzuräumen sei. „Es darf nicht das ,Entweder – Oder’ die Entwicklung bestimmen, das Augenmaß ist entscheidend.“ Für mögliche lokale Zielkonflikte gilt nach Überzeugung von Günther Ramsauer auch hier: „Beteiligung der Betroffenen ist das oberste Gebot.“ Mit Blick auf Zielkonflikte spricht sich Brigitte Freihold für ein umfassendes Verbandsklagerecht aus. Der Pfälzerwald ist nicht nur Naturpark, sondern auch Teil eines grenzüberschreitenden Biosphärenreservates mit den französischen Nordvogesen. Mit dem sperrigen Reservatsbegriff können aber viele Menschen nichts anfangen. Deshalb muss das Biosphärenreservat professionelle Öffentlichkeitsarbeit betreiben, meint Eymael. Wie der FDP-Kandidat hält Theo Wieder mehr grenzüberschreitende Projekte für wünschenswert, zumal dafür eine umfassende EU-Förderung möglich sei. Der Bezirksverband müsse hier als neuer Träger der Naturparkaufgabe „wesentlich anspruchsvollere Ziele setzen“ als dies bisher möglich war. Auch Manfred Petry sieht „Handlungsbedarf“ und verweist dazu auf einen kritischen Prüfbericht. Dieses Papier hatte ein Expertengremium verfasst, das im Auftrag der Unesco die Einhaltung der für Biosphärenreservate geltenden Kriterien überwacht. Mit der Übernahme der Naturpark-Trägerschaft wird die Entwicklung dieser Landschaft „ein wichtiges Arbeitsfeld“ auch des Bezirkstages werden, erwartet Ramsauer. „Dazu gehören sicher auch Überlegungen zur Optimierung“ der Organisationsformen. Bislang blieb die Zusammenarbeit mit den französischen Partnern „unter ihren Möglichkeiten“ und sollte intensiviert werden, sagt Ruth Ratter. Grenzüberschreitende Biosphärenreservate finden ihre Grenzen in den höchst unterschiedlichen nationalen Rechtsgrundlagen, beklagt Brigitte Freihold. Diese Rechtsgrundlagen müssten in Form von Staatsverträgen vereinheitlicht werden.

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