Sport-Kolumne Pferde dürfen keine Sportgeräte sein
Nach den verstörenden Bildern vom Modernen Fünfkampf 2021 in Tokio findet der Wettbewerb nun in Paris zum letzten Mal mit der Teildisziplin Springreiten statt. Fortan gibt es zwar einen Hindernisparkour, aber ohne Pferd. Eine nicht von allen begeistert aufgenommene Entscheidung, das kann ich auch verstehen. Denn mancher Moderne Fünfkämpfer mag sich denken: Jahrzehntelang interessiert sich kaum ein Mensch für unseren Sport, und plötzlich glauben alle, mitreden zu können.
Das schimmert auch aus einem „Zeit“-Beitrag über die Berlinerin Annika Zillekens durch, die in Tokio noch unter dem Namen Schleu für den Skandal sorgte, als sie das ihr zugeloste und völlig verstörte Pferd hilf- und willenlos mit Gerte und Sporen malträtierte, selbst in Tränen ausbrach und später sogar Morddrohungen erhielt. Natürlich völlig indiskutabel. Aber wenn Reiter und Pferd eben durch das Zulosen der Tiere gar keine Bindung zueinander haben und auch nicht aufbauen können, dann ist es auch kein Reiten. Dann ist das Pferd nur ein Sportgerät und kein Sportpartner – und das geht eben nicht. Ende der Diskussion.
Ein Rekord für die Ewigkeit?
Themenwechsel. Im alltäglichen Sprachgebrauch hat sich der Begriff Olympiade für die Olympischen Spiele längst durchgesetzt. Dabei bezeichnete er ursprünglich das Zeitintervall
Mit meinem hochgeschätzten Kollegen Klaus D. Kullmann hatte ich mir stets fröhliche Wortgefechte über den sinngemäßen Satz „X oder Y fehlten im 100-Meter-Lauf sieben Hundertstelsekunden zum Sieg“ geleistet. Für mich waren (und sind) es sieben Hundertstelsekunden zu viel, sie fehlen dem Läufer also nach meinem Empfinden nicht. Aber Klaus hatte selbstverständlich auch Recht: Im Sprachgebrauch des Alltags weiß jeder, was gemeint ist. Der Pedant in diesem Fall ist demnach nicht er, sondern bin ich. Also Schwamm drüber, über beides, die fehlenden Sekunden oder die Olympiade, die nun oft als Synonym für die Spiele selbst dient.
Jedenfalls hat die verkürzte Olympiade (im ursprünglichen Wortsinne) zwischen den coronabedingt auf 2021 verlegten Sommerspielen von Tokio und den am Sonntag zu Ende gehenden Spielen in Paris dafür gesorgt, dass Dressurreiterin Jessica von Bredow-Werndl nun wohl ein deutscher Rekord für die Ewigkeit gelungen ist: vier (!) Goldmedaillen in nur drei (!!) Jahren. Viel bedeutsamer ist die Tatsache, dass sie mit ihrer Stute Dalera dieses Kunststück der doppelten Titelverteidigung – mit der Equipe und im Einzel – überhaupt fertigbrachte. Und dass sie die Größe besitzt, ihr nun schon 17 Jahre altes und dennoch topfittes Pferd ab diesem nächsten Höhepunkt etappenweise aus dem Sport zu verabschieden.
Tränenreicher Abschied steht bevor
Ein paar Turniere wollen sie noch zusammen bestreiten, aber eben kein großes Championat mehr, also keine EM oder WM. Und dann gibt es sicher einen tränenreichen Verabschiedungsauftritt, bei dem das gerührte Publikum Dalera tausendfach mit weißen Taschentüchern zuwinken und sie in den verdienten Ruhestand geleiten wird. Ich könnte mit dafür Stuttgart, den Weltcup in der Schleyerhalle im November, dafür gut vorstellen.
Übrigens: Mutter soll Dalera nächstes Jahr werden. Wäre schön gewesen, ihre Züchterin Silke Druckenmüller aus Thomm im Norden von Rheinland-Pfalz hätte all das noch erleben dürfen. Aber sie starb erst 45-jährig im vergangenen September.
Dieser Tage vernahm ich von einer kultivierten Dame, die noch nie etwas mit dem Dressurreiten am Hut hatte, dass sie die Wettbewerbe vor der ikonischen Kulisse von Schloss Versailles befreit von jedweder Fachkenntnis völlig hingerissen haben. Zumal die drei Deutschen – eben Jessica von Bredow-Werndl, Isabell Werth und Frederic Wandres – nicht nur sportlich hochwertiges, sondern auch schönes und harmonisches Reiten mit ihren vierbeinigen Sportpartnern demonstrierten. Das gelang nicht wirklich allen Kompetitoren, manche Pferde gingen sehr unter Spannung und eng in der Anlehnung (Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdemaul). Was in einer Zeit, in der dieser Sport wegen vieler Skandale pauschal in der Kritik steht, nicht wirklich nicht weiterhilft. Anders als die wirklich hinreißenden Auftritte der deutschen Paare.