Kultur Südpfalz Überleben durch Musik

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Musik hat sein Leben gerettet. Heinz Schumann, genannt Coco, überstand die Ausgrenzung als Halbjude im Dritten Reich, das Lager Theresienstadt, sogar Auschwitz, nur durch seine Musik. Selbst die war unter den Nationalsozialisten offiziell verfemt, den Coco Schumann war und ist leidenschaftlicher Jazzmusiker. Jahrzehntelang hat er nicht über das gesprochen, was er als junger Mensch erlebt und überlebt hat. 1997 schrieb er doch eine Autobiografie. Kann man so ein Leben in eine Bühnen-Revue packen?

In der Landauer Festhalle waren die Hamburger Kammerspiele mit „Der Ghetto Swinger. Aus dem Leben von Coco Schumann“ zu Gast. Ein karges Bühnenbild, wenige Requisiten, aber eine glänzende Besetzung. Dieses Erfolgsrezept sorgt seit der Uraufführung des Stückes 2012 für einen spannenden, musikalisch reichhaltigen Abend. Gil Mehmert hat „Der Ghetto Swinger“ geschickt konzipiert aus einschneidenden Erlebnissen und der dazu passenden Musik. Konstantin Moreth gelingt es, den unbekümmerten Jugendlichen darzustellen, der sich ständig in Jazzlokale hinein schummelt. Dank Onkel Arthurs Gitarre – der Onkel wandert Anfang der Dreißiger Jahre rechtzeitig nach Bolivien aus – kommt das musikalische Naturtalent Coco zu Auftritten mit erfahrenen Musikern. Schlaglichtartig erhellen einige Szenen, wie gefährlich es damals war, verbotene Musik zu spielen. Während die fünfköpfige Band um Moreth swingt, live und in Farbe, und die legendäre Helen Schneider dazu hinreißend ausdrucksvoll singt, schlüpft der Geiger in die Rolle der uniformierten Schrecken. Sekundenschnell schalten Sängerin und Band um, von „Minnie the Moocher“ zu „Rosamunde“. Als ein swingbegeisterter Nazi aus dem Propagandaministerium die zu Tode erschrockenen Musiker zwingt, für ihn die verbotene Musik zu spielen, wird der Irrsinn dieser Zeit deutlich. Minderjährig, Swingmusiker, Halbjude – wie gefährlich diese Kombination war, erkennt Coco Schumann erst, als er deportiert wird. Von da an spielt er um sein Leben. Packend gestalten Moreth und seine hochmusikalischen Schauspielerkollegen die rasante Abfolge immer düsterer Momente. Eindrücklich die Darstellung des Lagerkommandanten Karl Rahm, der, zwischen unechter Freundlichkeit und Zynismus schwankend, Theresienstadt aufhübschen lässt für einen Besuch des internationalen Roten Kreuzes. Gruselig auch der „bunte Abend“ bei den Lagerältesten. Da spielen die Ghetto Swinger während sich die Lagerältesten betrinken und dabei Kleider tragen, die von ermordeten jüdischen Frauen stammen. Kann es noch schlimmer kommen? Es kann. Konstantin Moreth vermittelt die Wandlung von einem fröhlichen musikbegeisterten Jugendlichen zu einem Mann, der nur durch seine Musik und einige kleine Wunder Auschwitz, den Todesmarsch und den Flecktyphus überlebt. Der nicht begreifen kann, was Menschen einander antun können. Sein einziger Halt ist die Gitarre, und wundersamerweise kommt er immer wieder an ein Instrument, selbst wenn die fehlenden Saiten aus einem alten Kabel herausgepult werden müssen. Zugleich ist es die Musik, vom Cole-Porter-Klassiker „Night and Day“ und George Gershwins „I got rhythm“ bis zu beliebten Schlagern aus dieser Zeit wie „Für eine Nacht voller Seligkeit“ oder „Wir machen Musik“, die das Stück so lebensbejahend macht. Helen Schneider und die Schauspieler/Musiker liefern eine grandiose Leistung ab. Scheinbar mühelos schlüpfen die Bandmitglieder in die verschiedenen Rollen, verwandeln sich in KZ-Insassen oder Nazi-Schergen. Helen Schneider hält die Handlung zusammen, sie singt, erzählt, spielt Mutter und Geliebte, Oma und Swing-Sängerin. Die Aufführung von „Der Ghetto Swinger“ wird den Zuschauern sicher noch lang in Erinnerung bleiben. (nl)

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