Kultur Südpfalz Die freie Wahl

Acht „Funny Girls“, zwei Regisseurinnen, eine Cellistin – und jede Menge literarische Texte, die sich bei der geschliffenen Sprachperformance um „100 Jahre Frauenwahlrecht“ in Deutschland drehen: kein Wunder, dass alle drei Vorstellungen in der Landauer Stadtbibliothek ausverkauft waren und der Run auf die Karten der nächsten drei Veranstaltungen im Umland groß ist.

„Ein Paradies ist immer dann, wenn einer da ist, der wo aufpasst, dass keiner reinkommt“, meint der Kabarettist und Satiriker Gerhard Polt, und damit hat er garantiert nicht die Männerdomänen gemeint, in die die Frauen vor 100 Jahren eindringen wollten. Dass er von den „Funny Girls“ bei ihrem fulminanten Programm zum 100-jährigen Bestehen des Frauenwahlrechts in Deutschland dennoch zitiert wird, ist symptomatisch für die Art und Weise, wie die Regisseurinnen Felix S. Felix und Sieglinde Eberhart gemeinsam mit der Cellistin Isabel Eichenlaub und den acht Sprecherinnen das Thema angegangen sind und aufbereitet haben. Funny, also spaßig oder gar lustig, ist den Damen nämlich auch nach ihrem großen Emanzipationserfolg nicht zumute. Es überwiegen bis in die letzten Beiträge der chronologisch aufgerollten Geschichtsentwicklung die negativen Aspekte des Frauendaseins. Erstaunlich viel Frust, erschreckend wenig Lust. Auch das Wahlrecht, so sickert als latente Botschaft durch diese Performance, hat die Frauen nicht glücklich, nicht wirklich gleichberechtigt und keineswegs zufrieden gemacht. So wird der kämpferische Titel „Nun lasst euch nichts erzählen – Ihr habt jetzt freie Wahl“ umgemünzt in die Veranschaulichung dessen, dass auch die freie Wahl keine perfekte Wahl lässt. Weshalb sich die Frauen gegenseitig von Mühsal, Demütigungen und Vielfachbelastungen zwischen Arbeit, Haushalt und Mutterschaft erzählen. Mal kommen diese Aspekte locker daher, wie bei Elfriede Jelineks wunderbar entlarvender Erzählung „Was geschah, nachdem Nora ihren Mann verlassen hatte oder die Stützen der Gesellschaft“, selten so selbstbewusst und keck wie bei der „Wirtin“ von Peter Turrini, meist aber eher mut- und perspektivlos – wie in der „Sehr kurzen Geschichte“ von Clemens S. Setz, in der ein unzufriedener Engel namens Lilly seine Lebensumstände ändern will, deshalb seine Flügel stutzt und so auch die letzte Chance zum Glücklichsein verspielt. Wo ist sie also geblieben, die Frauenpower, mit der das Ensemble in Friedrich Hollaenders unwiderstehlichem Song „Raus mit den Männern ausm Reichstag“ auftrumpfte? Das Wahlrecht, so zeigt diese Performance, ist der Anfang, aber noch lange nicht das Ende der Fahnenstange dessen, wofür es sich für Frauen zu kämpfen lohnt. Doch schon allein deshalb lohnt es sich, den „Funny Girls“, die ihre Rezitationen mit bravouröser Phonetik und angenehm sparsamer Gestik meistern, genau zuzuhören. Die kluge Dramaturgie macht die Konzentration auf die mitunter recht kniffligen Texte leicht. Dabei ist der rote Faden in diesem Fall ein blauer Wollfaden, der auch als Wäscheleine, Plakathalter oder Fabriklinie taugt. Und überhaupt ist Blau hier eine symbolische Farbe: Blau wie die Kittel der Frauen an den Fließbändern einer maschinengetakteten Arbeitswelt, aber auch wie der legendäre Blaustrumpf, der den nach Emanzipation strebenden Frauen im ausgehenden 18. und 19. Jahrhundert zum Schimpf- und Spottwort wurde. Für die Anfangszeit der Emanzipation und den Einstieg in den Abend hat die Cellistin Isabel Eichenlaub eine Sarabande von Bach intoniert. Mit zunehmender Frauenpräsenz hat sie Bach durch die russische Komponistin Olga Magidenko abgelöst. Eine geniale Idee, denn die 1954 in Moskau geborene Musikerin bezieht sich in ihrer „Bachsuite I op. 107“ just auf den Altmeister. So hat Isabel Eichenlaub zur Begleitung der Wortkünstlerinnen Monika Brückner, Petra Gottwald, Christine Heeger-Roos, Charlotte Hinz, Annette Kliewer, Kristina Laffers Susanna Stähle und Tatjana Strauch auch eine überaus beredte musikalische Sprache gefunden. Info Weitere Termine: 28.9. 20 Uhr Stiftsgut Klingenmünster, 25.10. 20 Uhr Rassigakeller Maikammer, 28.10., 19 Uhr, Chawwerusch Theatersaal, Herxheim

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