Rheinpfalz Die schaffen das!

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„Wir schaffen das!“ Angela Merkels schon zum geflügelten Wort gewordenes Statement wird hie und da in Zweifel gezogen. Betrachtet man sich aber, mit welcher Motivation und Begeisterung Kinder und Jugendliche, die es beispielsweise aus Syrien und Afghanistan in die Pfalz verschlagen hat, an der Hauensteiner Realschule die Sprache der neuen Heimat lernen, dann darf man optimistisch sein: Die schaffen das!

Die Jungen und Mädchen sitzen in einem Saal der Wasgauschule über verschiedenen Arbeitsblättern: Hier werden Verben konjugiert, dort wird Wortschatzarbeit gemacht. Förderlehrerin Rosa Geißler, die am Pädagogischen Landesinstitut in Speyer einen Kurs „Deutsch als Zweitsprache“ belegt hat, Eva Stumpf, die an der Wasgauschule ihr Anerkennungsjahr als Erzieherin absolviert und dabei viele Erfahrungen und Anregungen für ihre Abschlussarbeit aus dem großen Themenkreis Integration sammeln kann, und Anna Hirschel, die sich als Mitarbeiterin im Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) um die Kinder kümmert, stehen mit Rat und Tat zur Seite. Es wird konzentriert gearbeitet, die angebotenen Hilfen gerne angenommen. Und: Man spricht Deutsch. Die Stunden für die spezielle Sprachförderung schöpft die Schule aus dem ihr ohnehin zustehenden Stundendeputat. Insofern sei die Förderung, die ja auf gelingende Integration hinzielt, eine „schwierige Aufgabe für die Schule“, sagt Schulleiter Michael Schlick und lässt leise Kritik anklingen: „Die Gesellschaft stellt uns diese Aufgabe, sie stellt aber nicht die benötigten Ressourcen zur Verfügung. Denn wir dürfen ja auch nicht die Förderung der anderen Kinder vergessen.“ Gleichwohl: Schlick sieht die „notwendige Gratwanderung“ durchaus positiv: „Es ist wichtig für die Schule, über den Tellerrand hinauszublicken. So ist die Arbeit mit den Flüchtlingen für uns auch eine fruchtbare Erweiterung des Horizonts.“ Die rund 20 Schüler mit Fluchthintergrund besuchen den Regelunterricht in den Klassen ihrer Altersstufe. Für den Sprachunterricht verlassen sie die Klassen stundenweise, um in kleinen Gruppen zu arbeiten. Darüber hinaus bietet die Schule auch noch im Ganztagsprogramm mit den Ganztagsschul-Mitarbeiterinnen Edith Scharf, die Diplomübersetzerin ist, mit Lehramtsstudentin Selina Vierling sowie der FSJ-Helferin Anna Hirschel weitere Sprachförderung an. „Nicht nur hier setzen wir immer wieder auf spielerische Elemente wie Memory oder Bingo oder Pantomime“, berichten die Betreuerinnen. Viel Wert lege man an der Wasgauschule „auf praxisnahe und handlungsorientierte Lernsituationen“: So werde montags gekocht, mit Lahmacun, Baclava oder Basbusi wurden Gerichte aus der Heimat zubereitet. Und dabei lernten die Jungs aus Syrien und Afghanistan, dass sie bei der Küchenarbeit mitzuhelfen haben, was sie von zuhause gar nicht kannten – ein Stück „kulturelle Integration“ also in der Schulküche. Man war mit den Flüchtlingskindern einkaufen, war im Schuhmuseum, machte Ausflüge nach Annweiler und Speyer, für die die Kinder einen Eigenbeitrag aufzubringen hatten, „was uns ganz wichtig ist“, wie der Schulleiter einwirft. Auch der Förderverein sprang unterstützend ein. Die Kinder brachten ganz unterschiedliche Voraussetzungen mit, die beispielsweise dadurch bedingt sind, ob die Kinder auf dem Land oder in einer Stadt aufgewachsen sind: Es sind Kinder dabei, die aufgrund der Kriegssituation in der Heimat noch „nie eine Schule von innen gesehen haben“, wie Eva Stumpf berichtet. Hier musste die Sprachförderung mit der Alphabetisierung beginnen. Andererseits gebe es auch „Fortgeschrittene“, die bereits seit zwei Jahren in Deutschland lebten und sich auf die erste Prüfung, das Sprachzertifikat A1, vorbereiten. „Sie schreiben auch bereits Diktate und Aufsätze in ihren Klassen mit“, berichtet Rosa Geißler. Salma und Sharif könnten auch schon als Dolmetscher agieren. Ansonsten müsse man sich sprachlich „irgendwie helfen“, aber es gebe immer „irgendwelche Schnittmengen zwischen Englisch, Arabisch, Türkisch oder Kurdisch, die weiterhelfen“. Alle seien „sehr, sehr motiviert und machen auch zuhause sehr viel“, beschreiben die beiden das große unterrichtliche Engagement der Kinder. Und: „Was wir sonst selten erleben: Sie freuen sich über jedes neue Arbeitsblatt, das sie bearbeiten dürfen“, erzählen die beiden Pädagoginnen. Um Salma und Sharif, die aus Homs stammen, Renas, der in Aleppo zuhause war, Ahmet aus Kobane und Aref und Erfan, die aus Afghanistan nach Deutschland kamen, möglichst effektiv fördern zu können, sind Eva Stumpf und Rosa Geißler „immer auf der Suche nach Lernmaterial“. Dabei biete das Netz „sehr brauchbares und schönes Material“. Und dann werde schon mal „nächtelang laminiert“. Gut geschlagen haben sich vier Flüchtlingskinder aus der achten Klasse beim Betriebspraktikum: „Wir haben durchweg positive Rückmeldungen aus den Betrieben bekommen“, betont Schlick. Vor allem sei die große Hilfsbereitschaft der Praktikanten registriert worden. Überhaupt beobachtet der Schulleiter bei den Kindern eine „hohe Motivation“: „Sie kommen gerne in die Schule und wissen die Regelmäßigkeit und Verlässlichkeit, die sie hier erleben, zu schätzen.“ Wichtig sei der Schule, neben der Verbesserung der Sprachkompetenz und der sozialen Integration auch die Vermittlung „von Maßstäben unserer Demokratie, von Gleichberechtigung, von Rechten und Pflichten und von Regeln, die das Zusammenleben ermöglichen“. Die Kinder seien „durchweg in die Klassengemeinschaft integriert“. Kleinere Streitigkeiten blieben zwar nicht aus. „Aber wir sehen, dass die Kinder gerne in die Pausenspiele einbezogen werden“, berichten Rosa Geißler und Eva Stumpf. Gut funktioniere die Zusammenarbeit mit den Eltern: „Manche kommen alle zwei, drei Wochen in der Schule vorbei, um sich zu erkundigen. Einige haben sich auch in den Weihnachtsmarkt der Schule eingebracht.“ Und die Kinder? „Alles gut in Deutschland, Schule ist gut und am besten ist der Deutschunterricht“, sagt der Siebtklässler Ahmet, der in der Kurdenstadt Kobane aufgewachsen ist, ein Trikot von Manchester United trägt, aber gleich versichert: „Bayern München ist besser!“ Dass sich die Kinder wohlfühlen, ist greifbar, greifbar ist auch, dass sie in der Wasgauschule Wertschätzung erfahren. Und sie geben ihren Betreuerinnen etwas zurück: „Es ist toll zuzusehen, wie sich die Kinder entwickeln.“

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