Herxheim Felix S. Felix von Chawwerusch sagt im Interview: „Uns gehen die Gelder aus, aber nicht die Ideen“

Die täglichen Clips auf der Chawwerusch-Seite seien eine Flucht vor dem Virus, erzählt Felix S. Felix, die für ihre nächste Gart
Die täglichen Clips auf der Chawwerusch-Seite seien eine Flucht vor dem Virus, erzählt Felix S. Felix, die für ihre nächste Gartenlesung probt.

Seit drei Wochen steht der Spielbetrieb im Chawwerusch-Theater still. Wir haben die Mitbegründerin und Schauspielerin Felix S. Felix gefragt: Wie lang kann die freie Bühne das noch durchhalten?

Interview: Brigitte Schmalenberg

Hallo Frau Felix. Wie geht es Ihnen und dem Chawwerusch-Ensemble gesundheitlich – sind alle noch Corona-virenfrei?
Ja, wir sind alle noch fit und ganz gut dabei, müssen uns aber natürlich umstellen, viel über Video und Telefon arbeiten. Wir halten uns ganz streng an die häusliche Quarantäne, weil wir die Maßnahmen unterstützen und mittragen wollen.

Der mentale Befund fällt bestimmt negativer aus ...
Ja, es ist schon komisch, wenn ein Ensemble zu Solisten wird und jeder allein vor sich hin wurschtelt. Weil wir aber als gut funktionierendes Kollektiv schon eine 35-jährige Erfahrung haben, gibt uns das großen Rückhalt und auch großes Vertrauen, dass wir das packen. Insofern haben wir es vielleicht leichter als unsere Kollegen, die wie Einzelkämpfer unterwegs sind.

Seit 13. März steht der Spielbetrieb still. Alle Eigenproduktionen und Gastbeiträge sind bis Ende April auf Eis gelegt. Können Sie den finanziellen Verlust schon beziffern?
Zehn Vorstellungen von Tourneen und zehn Vorstellungen im Theatersaal sind vermutlich unwiederbringlich weg. Denn selbst, wenn man Nachholtermine finden würde, wäre das ja nur eine Verschiebung. Nur bis jetzt ist da schon ein Loch von 30.000 Euro. Wir gehen nicht davon aus, dass wir das im zweiten Halbjahr aufholen können. Es passieren aber auch klasse Sachen! Eine Veranstalterin, die uns für September gebucht hat, hat gefragt, ob sie uns nicht jetzt schon dafür bezahlen soll. Das ist großartig und ein Beweis dafür, wie sehr wir hier in der Region eingebunden sind.

Wie versucht sich das Theater ganz konkret über die Zeit zu retten? Gibt es Entlassungen? Kurzarbeit?
Da muss man differenzieren. Bei den Technikern, die ja seit 15. März absolut nichts mehr zu tun haben, prüfen wir die Kurzarbeit ab April, bei den Büroangestellten vielleicht einen Monat später. Bei uns Freiberuflern weiß man ja noch gar nichts Genaues. Da müssen wir einfach mal abwarten, welche Maßnahmen für uns selbstständige Künstler greifen.

Ein erstes Hilfspaket hat die Politik für die gebeutelten Kulturschaffenden ja schon geschnürt. Kann Chawwerusch davon profitieren?
Das Hilfspaket kam sehr schnell auf den Weg. Wunderbar. Gott sei Dank. Aber wenn man das Kleingedruckte liest, wird’s kompliziert. Der Trägerverein des Theaters prüft die Möglichkeit der Soforthilfe, aber selbst die würde uns monatlich nur die Hälfte der Verbindlichkeiten decken. Dabei können wir froh sein, dass wir unsere ganz normalen Förderungen vom Land, vom Kreis und der Gemeinde kriegen. Die kommen relativ unbürokratisch aufs Konto.

Schon am 5. Juni steht die Premiere des Sommerstücks „Liberté, wir kommen“ auf dem Programm. Und am 28. Juni Ihre Gartenlesung „Wurzeln schlagen“. Sind die Vorbereitungen darauf überhaupt machbar?
Das ist wirklich im Moment die Quadratur des Kreises. Man fühlt sich genau in der Situation, die Bertolt Brecht ungefähr so beschrieben hat: „Ja, mach einen Plan! Sei nur ein großes Licht! Und mach dann noch ’nen zweiten Plan. Geh’n tun sie beide nicht.“ Eigentlich wären wir jetzt mitten in den Proben für das Sommerstück. Das geht natürlich nicht. Wir haben den Beginn jetzt auf 20. April verschoben, vermutlich geht auch das nicht. Der schlimmste Fall wäre, das Stück ins nächste Jahr zu verschieben. Ein sehr bedrohliches Szenario. Aber es wird schwierig, denn wir arbeiten mit einem großen Team, sogar mit einem Gast aus Frankreich – ob der überhaupt einreisen darf? Die Gartenlesung könnte eventuell noch im August klappen. Das ist ein kleines, flexibles Format. Da könnte man den Leuten wenigstens eine kleine Freude machen.

Und was passiert mit all den Aufführungen außerhalb des Herxheimer Theatersaals, die dem Corona-Virus zum Opfer fallen? Wir es Nachspiele geben?
Wo Verträge abgeschlossen sind, drängen die Veranstalter auf eine Verschiebung in die zweite Jahreshälfte oder ins nächste Jahr. Aber wir als Theater haben natürlich schon weiter geplant, die Termine und Verbindlichkeiten stehen bis Sommer 2021. Da wird es sehr schwierig werden, zusätzlich noch die verlorene Spielzeit einzuplanen. Wir können uns ja nicht zusätzliche Tage aus den Rippen schneiden.

Dass die Schauspieler auch in der erzwungenen Spielpause nicht untätig sind, zeigt die Aktion „Drinbleiben.Dranbleiben“. Jeden Tag um die Mittagszeit gibt es im Chawwerusch You-Tube-Kanal kleine, kostenfreie Beiträge, die den Kontakt zum Publikum zumindest virtuell pflegen. Wie kommt das Angebot an?
Das kommt sehr gut an. Wir hatten bisher 5000 Klicks. Für einen echten You-Tuber ist das natürlich gar nichts, aber für uns als Neulinge auf diesem Gebiet ist das ein wahnsinnig gutes Echo. Kommentare und E-Mails kommen sogar aus Santiago de Chile und Shanghai! Für mich und meine Kollegen ist die Arbeit daran so eine kleine Flucht vor dem Virus. Dabei entdecken wir uns auch gegenseitig neu. Uns gehen zwar die Gelder aus, aber nicht die Ideen.

Gibt es noch mehr Aktionen oder Ideen, um das Vakuum zu füllen?
Das Format „Drinbleiben.Dranbleiben“ wollen wir bis Ende April fortsetzten. Nur von Karfreitag bis Dienstag nach Ostern gibt es eine kurze Pause. Außerdem haben wir die Gutschein-Aktion „Jetzt kaufen, später kommen“. Das ist für uns eine konkrete Unterstützung, die gut angenommen wird. Spenden gibt es in diesem Zusammenhang auch. Für die sind wir natürlich sehr dankbar. Infos findet man auf unserer Homepage.

Viele Menschen meinen, dass die Gesellschaft nach Covid-19 eine andere sein wird. Kann das Theater nach der Wiederöffnung überhaupt dort weitermachen, wo es aufgehört hat?
Es ist schwierig. Man kann natürlich nicht ungebrochen an dem Punkt andocken, an dem man aufgehört hat. Da muss man erst mal wachsam sein und analysieren. Was hat das Virus mit uns gemacht? Was wollen die Menschen danach sehen? Sicher kein Stück wo sie eingesperrt sind und sich auf die Nerven gehen! Da werden wir als Chawwerusch bestimmt einen Weg finden für ein kreatives Vorgehen in dieser Situation. Wir haben ja schon immer auf Sicht navigiert. Bei uns gab’s noch nie einen Autopiloten, und das ist jetzt eine große Hilfe, um ruhig und besonnen mit der Situation umzugehen und die Zuversicht nicht zu verlieren. Hoffentlich bleiben wir gesund – das wünschen wir auch unseren Zuschauern, den Lesern und allen Menschen.

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