Kultur Südpfalz Frühstücksbrettchen gehen gar nicht

Pascale Hugues in Landau.
Pascale Hugues in Landau.

Wer könnte besser einen vergleichenden Blick auf kulturelle Gepflogenheiten der Menschen von „hiwwe un driwwe“ werfen als eine Elsässerin? Pascale Hugues hat es getan und ihre Beobachtungen deutscher und französischer Eigenheiten geistreich und humorvoll kommentiert. Am Dienstag las sie auf Einladung der Deutsch-Französischen Gesellschaft in Landau aus ihrem neuen Buch „Deutschland à la francaise“.

Eine junge Frau, blau-weiß-rot gekleidet, schaukelt zwischen dem Eiffelturm und dem Brandenburger Tor. Das Bild auf dem Umschlag findet Pascale Hugues, die Autorin von „Deutschland à la francaise“, sehr gelungen. Bei aller Leichtigkeit im Schreibstil bezieht die mit charmantem Akzent sprechende Journalistin in den Plaudereien zwischen den gelesenen Passagen politisch Stellung. Zum Beispiel, wenn sie meint, die Elsässer sollten aufhören, perfekte Franzosen sein zu wollen und sich stolz zu ihrer deutschen Seele bekennen. Als sie ausruft, „Es ist eine Bereicherung, zwei Heimate zu haben“, erntet sie lebhafte Zustimmung im vollen Gemeindesaal der Augustinerkirche. Pascale Hugues ist in Straßburg geboren. Nach Stationen in London und Bonn lebt sie seit vielen Jahren mit ihrer Familie in Berlin. Als Grenzgängerin kann und darf sie einen ironischen Blick auf Gepflogenheiten des jeweiligen Nachbarlandes werfen und diese mit lustigen und listigen Vergleichen karikieren: „Ich schaue mit dem Blick einer Elsässerin.“ Bei ihrem Besuch in Landau erzählt sie, dass ihre deutsche Großmutter hier geboren und als Kleinkind nach Colmar gebracht worden sei. Als sie am Nachmittag über den Rathausplatz flaniert sei, habe sie sich vorgestellt: „Hier hat meine Großmutter laufen gelernt.“ Wenn sie nicht gerade Bücher schreibt, verfasst Hugues Kolumnen für den „Tagesspiegel“ oder für die „Zeit“, schreibt aber auch für französische Zeitungen. „Weil mir der SPD-Parteitag vom Sonntag, von dem ich für eine französische Zeitung berichtete, immer noch in den Knochen steckt“, erklärt die Journalistin zu Beginn ihrer Lesung, fange sie mit einem politischen Thema an: dem Vergleich der Machtzentren, dem Élysée-Palast in Paris und dem Kanzleramt in Berlin, sowie der jeweiligen Akteure. Nach landeseigenen Kosenamen regiert in Frankreich Emmanuel Macron als „Jupiter“ im „Schloss“, in Deutschland dagegen führt Angela Merkel als „Mutti“ in der „Waschmaschine“ das Kommando. Am Schreibtisch des französischen Präsidenten hat zwar schon Louis XV. gesessen, er ist zwar protzig golden, aber so klein, dass keine Akten darauf Platz finden, während die deutsche Kanzlerin einen technisch ausgestatteten Konferenztisch als Arbeitsplatz bevorzugt. „Die Franzosen lieben Angela Merkel, aber sie würden sie niemals wählen“, weiß Hugues. Denn die Franzosen liebten abenteuerliche dramatische Auftritte. Um von Franzosen gewählt zu werden, so Hugues, müsste Merkel in der Dämmerung unter dem Brandenburger Tor zu Musik von Wagner ihre Reden halten. „Aber dann würde ich mir ernsthaft Gedanken machen“, fügt sie lachend hinzu. Ein weiteres großes Thema der Lesung in Landau war das Essen, das in Frankreich, auch an Schulen, wichtiger sei als Mathe. Für Franzosen ist es unbegreiflich, dass deutschen Schülern nur wenig Zeit bleibt, eine mitgebrachte Stulle hinunterzuschlingen, während in Frankreich die Schulkinder in der langen Mittagspause mit einem Drei-Gänge-Menü verwöhnt werden. In Bezug auf die mehr oder weniger ästhetische Poesie der Sprache greift die Autorin das delikate Thema Erotik auf: Werden in Deutschland die Spitzen der Brüste „Brustwarzen“ genannt, so umschreiben die Franzosen die erotische Zone etwa mit „Rehzwillingen, die über eine Wiese galoppieren“. Beim nüchternen Hinschauen indes müsse auch sie zugeben, dass der Begriff der verschrumpelten Hautausbuchtung nicht unpassen sei. Dennoch klingen für eine Französin Begriffe aus der Gossensprache wie „Titten“ oder „Nippel“ um einiges zärtlicher. Das Brettchen, von dem die Deutschen in Ess- und Wohnzimmern ihr kaltes (für Franzosen undenkbar!) Abendbrot verzehren, ist in Frankreich absolut in die Küche verbannt, zum Zweck, darauf Zwiebeln zu schneiden. „Von einem Brettchen essen geht gar nicht, und in Frankreich wird auch abends warm gekocht.“ Wie schnell man ins kulturelle Fettnäpfchen treten kann, zeigte sich am Ende der Veranstaltung: „Ich glaube, da ist ein Brettchen dabei“, entschuldigte sich Rudolf Ehrmantraut im Voraus bei der Beschenkten, als er im Auftrag der Landauer Gastgeber ein Geschenk überreichte. „Muss ich das jetzt auspacken?“, fragte die Empfängerin – und tat es, vielleicht aus französischer Höflichkeit, dennoch nicht. Der Hinweis des ehemaligen protestantischen Dekans an der Stiftskirche, der mit einer Französin verheiratet ist und mit seiner Familie lange in Frankreich gelebt hat, indes lässt vermuten, dass es sich bei dem Inhalt um Pfälzer Spezialitäten in regional beliebter rustikaler Verpackung handeln könnte. Lesezeichen Pascale Hugues: „Deutschland à la francaise“ im Original: „Chroniques d´une Francaise à Berlin“ übersetzt von Elisabeth Thielicke, Rohwolt-Verlag 2017, ISBN-13 978-3498030322

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