Rheinpfalz „Kein falsches Signal für Helfer“

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SPEYER (jüm). Wie schnell darf ein Feuerwehrmann mit seinem Privatauto fahren, wenn er an seinem Arbeitsplatz zum Einsatz gerufen wird? Selbst Tempo 150 auf einer Straße, auf der nur 100 Stundenkilometer erlaubt sind, kann ohne Bußgeld-Folgen bleiben, hat gestern das Amtsgericht Speyer geurteilt. Dann nämlich, wenn der Feuerwehrmann dabei niemanden gefährdet und wenn er davon ausgehen muss, dass am Einsatzort erhebliche Gefahren für Menschen und Umwelt drohen.

Das 36-jährige Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr war vor zwei Jahren auf der B 9 kurz vor der Ausfahrt Speyer-West geblitzt worden. Weil er dort die erlaubten 100 Stundenkilometer um 50 Sachen überschritten hatte, sollte der Vorderpfälzer eine Geldbuße von 188,50 Euro berappen und obendrein noch einen Denkzettel in Form eines einmonatigen Fahrverbotes hinnehmen. Dagegen wehrte sich der 36-Jährige erfolgreich bereits im vergangenen Jahr. Doch die Staatsanwaltschaft legte Rechtsbeschwerde gegen den Freispruch des Amtsgerichtes Speyer ein. Und das Oberlandesgericht in Zweibrücken entschied: Die Sache muss erneut verhandelt werden. Unter anderem habe das Amtsgericht nicht geprüft, von welcher Gefahrenlage der Feuerwehrmann bei seiner rasanten Fahrt zum Einsatzort ausgehen musste. Zunächst habe er an jenem März-Vormittag auf seinem Funkmelder die Nachricht erhalten, dass es bei einem Glaswolle-Hersteller im Speyerer Industriegebiet brenne, sagte gestern der 36-Jährige vor Gericht. Weil er auf seinem Piepser-Display zusätzlich die Information „Halbschleife“ erhalten habe, sei er davon ausgegangen, dass nur ein halber Feuerwehrzug angefordert wurde. Wenn es sich aber um kleinere Einsätze handelte, sei mit seinem Chef vereinbart gewesen, dass er angesichts der relativ weiten Anfahrt bis Speyer seinen Arbeitsplatz in der Nähe von Ludwigshafen-Ruchheim nicht verlasse. Doch 20 Minuten später sei auf dem Piepser die Nachricht eingetroffen, dass nun sogar zwei komplette Löschzüge („Doppelschleife“) benötigt würden, so der Feuerwehrmann. Von dem Werk in Speyer habe er gewusst, dass dort etliche Menschen beschäftigt seien und dass sich auf dem Betriebsgelände eine Tankstelle sowie Produktionsanlagen befinden, bei denen Chemikalien eingesetzt werden. Dies bestätigte der technische Leiter des Werks als Zeuge. Vor diesem Hintergrund sprach Richter Nikolas Häusler den Feuerwehrmann frei: Der 36-Jährige habe angesichts der Nachalarmierung von einem Großbrand ausgehen müssen, Nur jeder zweite Feuerwehrmann sei wie er zum Einsatz mit dem Atemschutzgerät ausgebildet. Eine Nachfrage bei der Feuerwehr-Zentrale, ob er tatsächlich noch gebraucht werde, wäre, so Häusler, „untunlich“ gewesen, weil die Leitstelle nur mit einem Mann besetzt und stark belastet sei. Deshalb sei es dem 36-Jährigen nicht anzukreiden, dass sich der Brand später als weniger gravierend erwies. Die Straßenverkehrs-Ordnung räumt Feuerwehrleuten und anderen Helfern Sonderrechte – sprich: Geschwindigkeits-Überschreitungen – ein, so der Richter weiter. Dabei dürfe es aber nicht zu einer Gefährdung Dritter kommen, selbst wenn am Einsatzort Menschenleben bedroht seien. Zwar müsse bei einer Geschwindigkeit von 150 Stundenkilometern von einer „abstrakten Gefährdung“ ausgegangen werden. Aber die Sicht sei an jenem Vormittag gut, die Straße trocken und das Verkehrsaufkommen gering gewesen. Im Moment des Blitzens habe der 36-Jährige zwar einen Lkw überholt, aber in dem Bereich habe für Brummis ein Überholverbot gegolten. Außerdem sei vor dem Laster kein langsameres Fahrzeug unterwegs gewesen, so dass auch nicht mit einem plötzlichen Ausscheren zu rechnen gewesen sei. Zudem habe der 36-Jährgie ein Fahrsicherheits-Training absolviert. „Wir können froh sein, dass es Freiwillige gibt, die zur Feuerwehr gehen, um uneigennützig zu helfen“, betonte Häusler. Der Freispruch sei zwar „kein Freibrief“. Aber eine Verurteilung wäre „ein falsches Signal“ gewesen. Zuvor hatten sowohl Verteidiger Stefan Beck als auch Amtsanwalt Martin Fritsch Freispruch beantragt. „Dieses Urteil bedeutet mehr Sicherheit für die Helfer“, meinte Beck. Kommentar

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