Kultur Südpfalz Verstand schützt vor Krankheit

„Wie geht’s uns denn heute?“ – Mit diesem Satz begann ein köstlich vergnüglicher Abend mit dem Darmstädter Kabarettistenduo „Kabbaratz“ im Musikantebuckl in Oberotterbach. Was auf die Antworten der amüsierten Gäste, die sich selbst in überzogenen Rollenspielen wiedererkannten, folgte, war ein Schlagabtausch an Gegensätzlichkeiten zwischen Zahlen und Fakten und gesundem Menschenverstand.

Woran erkennt man einen Gesunden? Gar nicht, denn der merkt das nicht. Woran erkennt man einen Kranken? Gar nicht, denn der will es sich nicht anmerken lassen. Woran erkennt man einen Veganer? Der sagt es Ihnen. A propos: Dieselfahrer konnten einen Sticker mit der Aufschrift: „Ich tanke vegan“ erwerben. Die Definition für Gesundheit laute, so belehrten die Kabarettisten ihre Zuhörer, „vollkommenes körperliches, psychisches und soziales Wohlbefinden“. „Ist Wolfgang Schäuble krank, nur weil er im Rollstuhl sitzt?“ lautete eine Gegenfrage. Eine Erkenntnis könnte lauten, dass wir für tausende Krankheiten ewig lange Erklärungen haben, für das Gesunde aber in der Regel blind sind. Peter Hoffmann und Eveline Wendler öffnen als ungleiches Paar ihrem Publikum die Augen. Hoffmann zitiert bewundernswert ohne Hilfsmittel akribisch recherchierte Statistiken, übernimmt den Part des scheinbar „Ungesunden“ und animiert die Gäste dazu, wenn schon, dann mit Genuss statt mit schlechtem Gewissen bei einem Glas Wein und einer Tüte Chips über die Stränge zu schlagen. Eveline Wendler führt als Moralapostelin scheinbar rationale Gesundheitsregeln allein mit satirischer Darbietung ad absurdum. Wie gesund lebt ein Marathonläufer, der leistungsfördernde Medikamente einnimmt, was immerhin jeder zehnte von zwei Millionen Dauerläufern praktiziere. „Ich möchte kein Mitläufer sein“ entgegnete Hoffmann mit naivem Blick. Wie krank ist eine Gesellschaft, in der 1,16 Millionen Menschen im Jahr 2015 an Malaria gestorben sind, aber nicht ein einziger an Impotenz? Vor der Tatsache, dass der Umsatz an Viagra höher war als der sämtlicher Malariamedikamente. Ein weiteres Beispiel unlauterer Panikmache: Wer verarbeitete Fleischprodukte zu sich nimmt, steigert das Darmkrebsrisiko um 80 Prozent. „Das ,normale’ Risiko liegt bei vier Prozent, davon 80 Prozent draufgepackt sind immer noch lediglich 7,2 Prozent“, stellte Hoffmann klar. Köstlich amüsiert vernahmen die Zuhörer im Rollenspiel der Kabarettisten auch, wie wenige der 328 Milliarden Euro jährlich anfallenden Gesundheitskosten letztendlich bei den Hausärzten hängen bleiben. Im Vergleich mit einer Bäckerei wurde deutlich, wie das Abrechnungssystem die Ärzte am Ende der Gesundheitskette dazu zwingt, einem Kunden, der ein Wasserbrötchen verlangt, eine Plunderschnecke aufzuschwatzen, um am Quartalsende nicht drauflegen zu müssen. Am Ende eines vergnüglichen Abends, an dem der Pfälzer Wein doch besser mundete als vegane Sojamilch, gingen die Gäste erheitert mit der Erkenntnis nach Hause: Gesunder Menschenverstand schützt vor manch erfundener oder eingeredeter Krankheit, ersetzt so manchen Arztbesuch und spart viel Geld für individuelle Zusatzleistungen. Und Eltern, die ihren Kindern zuhören, sparen pro zehn Minuten 14 Euro für den Psychotherapeuten. (srs)

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