Unternehmen Es geht um 1000 Arbeitsplätze: Doch keine Mega-Chipfabrik im Saarland?

Schlechtes Omen für die geplante Chipfabrik? Dunkle Wolken über Ensdorf nach der Sprengung des Kohlekraftwerks Ende Juni.
Schlechtes Omen für die geplante Chipfabrik? Dunkle Wolken über Ensdorf nach der Sprengung des Kohlekraftwerks Ende Juni.

Die geplante Großinvestition in eine Chipfabrik im saarländischen Ensdorf steht vor dem Aus. Etwa 1000 Arbeitsplätze sollten entstehen. Der US-Halbleiter-Konzern Wolfspeed und der deutsche Getriebespezialist ZF hatten ein rund zwei Milliarden Euro schweres, hochmodernes Projekt angekündigt.

Das Feld ist bereitet. Der Kühlturm und die Schornsteine des alten Kohlekraftwerks in Ensdorf an der Saar sind Ende Juni öffentlichkeitswirksam gesprengt worden. Auf dem Gelände nahe der saarländischen 6600-Einwohner-Gemeinde bei Saarlouis, mit dem Auto rund 55 Kilometer von Zweibrücken entfernt, soll eine rund 2 Milliarden Euro teure Chipfabrik entstehen. Sie soll bis zu 1000 Beschäftigten Arbeit bieten – wohl besser: sollte. Denn die Frage ist: Kommt die Mega-Fabrik doch nicht?

Der amerikanische Chip-Spezialist Wolfspeed hat sich vor gut eineinhalb Jahren mit viel Pomp und Politikprominenz um Kanzler Olaf Scholz (SPD) dafür feiern lassen, dass er eine so große, hochmoderne Produktionsstätte für Siliziumkarbid-Chips in Deutschland baut. Minderheitspartner ist der Autozulieferer ZF mit Hauptsitz Friedrichshafen am Bodensee und einer kriselnden Produktionsstätte in Saarbrücken. ZF hat eine Beteiligung an der geplanten Fabrik an der Saar in Höhe von 170 Millionen Euro zugesagt. Schon im Juni 2023 erlaubte die EU-Kommission die öffentliche Förderung der Investition durch den Bund und durch das Saarland mit bis zu einem Drittel der Investitionskosten. Versprochen sind 360 Millionen Euro Förderung durch den Bund und 155 Millionen Euro Fördergelder aus dem Saarland.

Schwacher E-Auto-Markt belastet

Nur was den Baubeginn angeht, hatte es Wolfspeed, das seit Jahren rote Zahlen im operativen Geschäft schreibt, jüngst gar nicht mehr eilig. Eine Knappheit an Chips vor allem für Elektro-Autos herrscht aktuell nicht gerade – weil die Nachfrage auf dem E-Pkw-Markt den noch vor zwei, drei Jahren vielfach geschürten hohen Erwartungen stark hinterherhinkt. Die Siliziumkarbid-Chips, die im Saarland einmal produziert werden sollten, werden vor allem in Wechselrichtern von E-Autos gebraucht.

So ist das Immer-weiter-Verschieben des Baubeginns in Ensdorf ein Indiz dafür, dass die Fabrik womöglich überhaupt nicht gebaut wird. Die „FAZ“ berichtete unter Berufung auf Wolfspeed-Unternehmenskreise, der Plan für die Chipfabrik an der Saar werde auf unbestimmte Zeit verschoben. Eine Bestätigung für einen Rückzug werde es demnach im November geben bei der Bekanntgabe der Wolfspeed-Geschäftszahlen.

Bei ZF in Saarbrücken fallen Jobs weg

Derweil betonte Partner ZF auf Anfrage dieser Zeitung, der Friedrichshafener Konzern sei nicht „maßgeblich für eine Verzögerung der Pläne des Unternehmens Wolfspeed“. Und, so ZF: „Die Verantwortung für das Projekt hat Wolfspeed. ZF hat hier immer intensiv und aktiv unterstützt.“

Unabhängig davon belasten ZF die Kosten für die Antriebswende hin zum Elektroauto. Im Juli kündigte der Konzern an, bis Ende 2028 bis zu 14.000 Stellen in Deutschland zu streichen. Im ZF-Werk in Saarbrücken werden aktuellen Zahlen zufolge bis Ende 2025 rund 1800 Arbeitsplätze abgebaut. Bis Ende 2028 könnten im Saarbrücker ZF-Werk bis zu 4500 der aktuell 10.000 Jobs wegfallen.

Große Worte Anfang 2023

Im Februar 2023 noch war Wolfspeed-Chef Gregg Lowe ins Saarland gereist und hatte das geplante Werk in Ensdorf als „die weltweit größte und modernste Fabrik für Halbleiter aus Siliziumkarbid“ gepriesen.

Nun aber forciert Wolfspeed Produktionsstätten von Mikrochips im US-Bundesstaat New York und in North Carolina, die von der amerikanischen Regierung stark subventioniert werden. Schlecht für das Ensdorfer Projekt zudem: Auf dem Markt für E-Autos läuft es generell nicht nach Wunsch von Politik und Wirtschaft, das bekommen Autohersteller wie Volkswagen zu spüren und eben auch Zulieferer aller Art. So teilte ACC, ein Gemeinschaftsunternehmen des Batterieanbieters Saft und der Autohersteller Mercedes-Benz und Stellantis (unter anderem Opel), im Juni mit, dass beim Großprojekt in Kaiserslautern, einer Gigafactory für Batteriezellen und Module, vorerst eine „Pause“ eingelegt werde. Da passen die Nachrichten zum Wolfspeed-/ZF-Projekt im Saarland ins Bild.

Saar-Regierung „steht zu allen Zusagen“

„Die Landesregierung und auch die Bundesregierung stehen zu allen Zusagen für den Bau der Wolfspeed-Fabrik im Saarland. Ob die Chipfabrik in Ensdorf jetzt zeitnah realisiert wird, entscheiden die beteiligten Unternehmen“, sagte der saarländische Wirtschaftsminister Jürgen Barke (SPD) am Dienstag auf Anfrage dieser Zeitung. „ZF und Wolfspeed bewegen sich in dem herausfordernden Marktumfeld der Elektromobilität und kämpfen aktuell mit individuellen Problemlagen. Etwaige Fördermittel fließen natürlich nur, wenn etwas Konkretes auf dem Gelände entsteht. Die Entwicklung des Ensdorfer Geländes wird in jedem Fall fortgesetzt.“

Auch Intel hat gebremst

Ins Bild der Wirtschaftskrise in vielen Bereichen passt auch, dass der US-Chip-Riese Intel Mitte September den 30 Milliarden Euro teuren Neubau eines Werks in Magdeburg in Sachsen-Anhalt mit 9,9 Milliarden Euro deutscher Staatshilfen auf Eis gelegt und um voraussichtlich zwei Jahre verschoben hat. Intel steht auf dem Markt für herkömmliche Computerchips und spezielle Chips für künstliche Intelligenz (KI) unter Druck.

Lesen Sie dazu auch diesen Hintergrund zu den Wolfspeed-Absichten im Saarland und den geplanten Arbeitsplätzen.

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