Kommentar Euroraum: Die Lage ist brenzlig

Mit der Auflösung der Nationalversammlung ist Emmanuel Macron ein hohes Risiko eingegangen.
Mit der Auflösung der Nationalversammlung ist Emmanuel Macron ein hohes Risiko eingegangen.

Frankreich gibt Anlass zur Sorge. Angst vor einer akuten neuen Zerreißprobe im Euroraum ist aber übertrieben.

Die prekäre politische Lage in Frankreich dürfte die Finanzmärkte vor den am 30. Juni beginnenden Parlamentswahlen weiter in Atem halten. Auch wenn die Zeichen bei Staatsanleihen und Aktien zuletzt auf Erholung standen, bleibt die Situation brenzlig. Vergleiche mit der Staatsschuldenkrise im Euroraum, die die Währungszone vor über zehn Jahren auseinanderzubrechen lassen drohte, sind jedoch übertrieben

Dabei liegt der Grund, die Dinge heute gelassener zu sehen, keineswegs in einer verbesserten Haushaltsdisziplin der großen Euroländer. Nicht nur in Frankreich, auch in Italien und Spanien sind die Staatsschuldenquoten wesentlich höher als während der Eurokrise der Jahre 2010 bis 2012. Was sich allerdings geändert hat, sind die Möglichkeiten der Europäischen Zentralbank (EZB), Käuferstreiks am Anleihemarkt entgegenzuwirken. Im Juli 2012 sprach der damalige Notenbankchef Mario Draghi vor internationalen Investoren in London die entscheidenden Machtworte: „Im Rahmen unseres Mandats ist die EZB bereit, alles Notwendige zu tun, um den Euro zu erhalten.“ Damit machte er klar, dass sich die Spekulation auf ein Ende der Währungsunion nicht auszahlen kann, da die EZB notfalls unbegrenzt Staatsanleihen angeschlagener Euroländer aufkauft.

Das bedeutet nicht, dass ein Siegeszug rechter Parteien, die die Kooperation mit der EU ablehnen, aus Anlegersicht harmlos wäre. Im Gegenteil: Die EZB kann zwar verhindern, dass Mitgliedsländer von der Finanzierung abgeschnitten werden und Panik am Anleihemarkt ausbricht. Auf Dauer würden Verletzungen der gemeinsamen Haushaltsregeln dennoch zu einer Destabilisierung der Währungszone führen – wenn nicht zu einer erneuten Zerreißprobe.

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