Bad Dürkheim Gegen das Wort als Wegwerfware

Einen „Poet in allem, was er hervorbringt“, nannte Laudator Hans-Peter Schwöbel seinen Nachfolger, den er als einen „Starken im Geiste“, der denen vergibt, „die im Geiste stark schwächeln“, beschrieb. Tatsächlich wirkt Töpels Satire nie bösartig. Sein Dialekt beißt und brüllt nicht. Er will auch nicht einer von denen sein, die das Wort als Wegwerfware missbrauchen. Sprache ist für den 1959 in Heidelberg geborenen Bühnenkünstler Herzschlag, Heimat und Musik. Und so steckt er Hintergründiges, Heiteres und immer wieder Nachdenkliches in seine rhythmisch schwingenden Wort- und Musikvorträge. Dieser Rhythmus packt ihn, durchströmt ihn, lässt ihn jazzig vibrieren, und wer zuhört, wird unweigerlich mitgerissen. Überhaupt gilt Töpels Vorliebe einer fein differenzierten Mischung: Im Dialog zwischen zwei Seelen in seiner Brust begegnen sich nicht nur Hochdeutsch und Dialekt. Hier kommt Töpels unsichtbarer Bühnenpartner „de Günda“ wie gerufen, ist er doch eine bodenständige innere Stimme und ein gewieftes Neben-Ich, das tief im Kurpfälzischen verwurzelt dem „Armien“ Paroli bietet. Wenn die zwei sich streiten, freut sich das Publikum als Dritter. So begeisterte Töpel am Vorabend der Plakettenverleihung seine Zuschauer im Von-Busch-Hof als vielschichtiger Poet, Sänger und Pianist, der auch sich selbst als Resonanzkörper einbringt und sich den Takt auf Oberarme, Brustkorb oder gar auf die Wangen schlägt. Gerade noch lässt er die Worte durch den Raum schweben und man folgt ihm in Gedanken, da fällt er plötzlich in federndes und lebhaftes Pulsieren. Ebenso variabel handhabt der Virtuose das Klavier, schnipst und tippt auf die Tasten, dann wischt und wirbelt er rasant über sie hinweg oder trommelt auf sie ein. Nicht weniger nuancenreich setzt Töpel seine Stimme ein: Sie haucht, raunt und schmeichelt, dann kratzt und schnalzt sie ins Mikrofon, hingegeben an den groovenden Dialekt, an Rhythmen, die das Publikum in ihren Bann ziehen und nicht mehr loslassen. Ob es um die gefühlsmäßige Verarmung und Vereinzelung einer wachsenden „Singlewelt“ geht, ob „de Günda“ über das Ende fossiler Energien oder über heutige Kindergeburtstage nachsinnt – immer sind die singsangartigen oder gesprochenen Dialoge am Puls des Dialekts und bringen seine Kraft zum Blühen. Bestechend ist der Reichtum an Bildern: Da wachsen sich Stammbäume in bizarre Heckenformen aus, da vereitelt der Lebensfluss („du konnschst net hewe“) jegliches Festhalten und wenn es heißt „Ai laaf juh, juh laaf mie, laafe mer zamme, wu laafe ma hie?“, dann glaubt man dem Sänger aufs Wort, dass er über die geschätzte Sprache nach Hause gekommen ist. Man muss wohl Laudator Schwöbel folgen, dass Kunst auf diese Weise sehr wohl etwas auszurichten vermag: Denn Arnim Töpel bringe seine Poesie „den Menschen hinreißend nahe“. Als ihren großen Vorzug nannte der Mannheimer Kabarettist und Schriftsteller Töpels Verbinden von Verzauberung und Aufklären. Wie bedeutsam beides zusammen ist, zeigt sich nicht zuletzt darin, dass die Barbarei ein ständig drohender Begleiter des Menschen sei, wie der Laudator es beschrieb. Musikalisch umrahmte die Gruppe „Immergrün“ unter Leitung von Peter Stockmann die Plakettenverleihung. Biografische Parallelen zwischen dem diesjährigen Preisträger und dem Namensgeber der seit dem Jahr 2000 alle zwei Jahre verliehenen Plakette schilderte die Freinsheimer Schauspielerin und Theaterleiterin Anja Kleinhans, die aus Hermann Sinsheimers „Gelebt im Paradies“ vorlas. Auch Laudator Schwöbel knüpfte Verbindungen und nannte als tiefste Gemeinsamkeit von Töpel und Sinsheimer: „Sie lieben die Menschen, notfalls gegen alle Erfahrungen.“ Vielleicht ist es das, was Arnim Töpel in Liedern wie vom inneren „klääne Buu“ schildert: Vieles umgibt uns, das mutlos machen könnte. Und doch lässt er das Hoffen nicht.

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