Bad Dürkheim Käse reden mögen Eritreer nicht

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Sie mögen. Deutsch lernen. Trotz seiner unregelmäßigen Verben. Fünfmal die Woche vier Stunden Sprachkurs bei der Protestantischen Kirchengemeinde Bad Dürkheim – das ist der Vormittag für zehn Flüchtlinge aus Eritrea. Beim Zuhören gibt’s Momente, wo’s einem selbst fast die Sprache verschlägt.

„Ich mag Käse“, sagt Anday. „Käse mag ich nicht“, meint Solomon, aber „ich mag Kartoffeln. Magst du Schnitzel?“, geht die Frage weiter an Edin. „Ich mag kein Schnitzel“, erwidert dieser – und hat sogleich noch eine sprachliche Alternative parat: „Ich mag Schnitzel nicht.“ Ob das tatsächlich stimmt, dürfte primär davon abhängen, ob Edin dem muslimischen oder dem christlichen Glauben angehört – beide sind in Eritrea in etwa gleich verbreitet. Wir können ihn nicht fragen, denn wir wollen den Unterricht nicht stören. Denn es geht gar nicht um die Leibspeisen der Männer, die da in einem Dachraum im Haus der Kirche in drei Viererreihen sitzen, sondern um Deutschkurs. Heute konkret: um das Tätigkeitswort „mögen“ und seine Formen einerseits sowie um Ein- und Mehrzahl von Lebensmitteln andererseits. Erste Bekanntschaft mit der deutschen Sprache haben die Afrikaner, die seit Juli als Flüchtlinge in Bad Dürkheim sind, bei Stephan Krämer vom Dekanat gemacht. Schon da auf privater Basis beziehungsweise auf kirchlicher, weil Flüchtlinge von Staats wegen erst nach ihrer Anerkennung Recht auf offizielle Sprachschulung haben. Dekanin Ulla Hoffmann löste das Problem auf dem „kleinen Dienstweg“, aber zweimal eine Wochenstunde im Mehrgenerationenhaus waren ihr zu wenig erschienen, um die jungen Männer zwischen 17 und 35 sprach- und damit arbeitstauglich zu machen, bis – wohl kaum vor dem Spätjahr – über ihr Bleiberecht entschieden wird und sie dann auch einem Job nachgehen dürfen, um auf eigenen Füßen zu stehen. Über Bekannte kam die Dekanin schließlich ans Lernstudio Barbarossa in Frankenthal, eine von acht Filialen in der Pfalz (siehe ). Seither pauken ihre schwarzen Schützlinge fünfmal die Woche jeden Vormittag vier Stunden Deutsch-Intensiv mit Meike Lacha, seit 2008 Sprachlehrerin bei Barbarossa. Arabisch und seine Ausleger gehört nicht zum Repertoire der 32-jährigen Ludwigshafenerin. Das bedeutet: Gesprochen und erklärt wird nur auf Deutsch. Da müssen die Jungs durch. Was sie erstaunlich ruhig annehmen. Ruhig im doppelten Sinn: Nur selten erklären sie sich gegenseitig etwas in ihrer Muttersprache, vielmehr lauschen sie der Lehrerin – und lesen schon halblaut mit, was sie mit Filzstift aufs Flipchart, altdeutsch: auf die Papiertafel schreibt. „Ich. Mag. Keinen. Reis. Ja. Ich. Mag. Äpfel.“ Überhaupt: Schwätzen, wie Schüler das sonst halt tun, ist hier nicht. „Die wollen nur lernen“ – dieses Zitat aus unserem Auftaktartikel vom 2. Februar geht dem stillen Beobachter durch den Sinn, der das Geschehen von der hintersten Tischreihe aus verfolgt. Selbst reifere Gymnasiasten dürften derart diszipliniert kaum jemals dem Unterricht folgen. Nein, sagt die Lehrerin später, die zum ersten Mal mit afrikanischen Flüchtlingen zu tun hat, so aufmerksame Schüler habe sie noch nie erlebt. „Sehr motiviert, sehr fleißig“, sagt Meike Lacha. Klar, wie in jeder Klasse gibt es eifrige, stille, unsichere Kandidaten – aber nicht so durchweg konzentrierte. Als sie etwas abschreiben sollen, geschieht dies so mucksmäuschenstill, dass man selbst die Kulis übers Papier fahren hört. Der Respekt des Zuhörers wächst mit jeder Minute. Man macht sich selbst ja keine Gedanken um die Problematik unserer unregelmäßigen Verben. Wie „mögen“ eben. Schon die einfachste Beugung muss Ausländer verwirren. Mag, magst, mögen, mögt. Da ist noch keine Vergangenheits- oder andere Zeitform dabei, vom Konjunktiv ganz zu schweigen. „Das ist aber nicht immer so ...“, warnt Meike Lacha mehrfach vor, dass die Ausnahme eine feste Regel im Deutschen ist. An die Praxis des Pfälzer Dialekts im Alltag noch gar nicht zu denken. Oder man nehme die diversen Pluralendungen. Etwa von Lebensmitteln. Bilden Sie mal die Mehrzahl von Saft, Schnitzel, Mango, Banane und Ei! Das wird dann auch die Hausaufgabe für morgen: zehn bis zwanzig Wörter aus dem Lebensmittelbereich suchen und samt Pluralform aufschreiben. Das ist das Ziel bis Juni: Die früheren Soldaten aus Eritrea soweit im Deutschen fit zu machen, dass sie Niveau B1 Mittelstufe erreichen. Sprich: Sich ausdrücken und verständigen können. Schriftlich zu kommunizieren verstehen. Fähig sein, ein Vorstellungsgespräch zu führen. Vor allem aber ist die Stufe B1 die Voraussetzung für den Deutschtest zur Einbürgerung. „Sie lernen sehr schnell“, attestiert die Sprachlehrerin. Gerade lässt sie ihre Eleven sich gegenseitig abfragen: Jeder bekommt eine Frage vom Vordermann, beantwortet sie und stellt die nächste Frage dem Hintermann, jeweils verbunden mit Handschlag und einem „Hallo“ oder „Guten Tag“. Und wir hören: Anday mag immer noch Käse.

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