Donnersbergkreis „Mama, es ist ein Tornado“

Alles geht sehr schnell. Erst setzt starker Regen ein, dann Hagel, schließlich ein heftiger Sturm. Bürgermeister Ulrich Armbrüster ist gerade im Rathaus von Framersheim, als er am Dienstagabend das Unwetter aufziehen sieht. „Da waren wir plötzlich eingehüllt wie in einer Nebelwand“, berichtet er am Tag danach. Nur wenige Minuten später gleichen Teile des beschaulichen Weinortes im Kreis Alzey-Worms einem Trümmerfeld. Ganz besonders trifft es einen Gebäudekomplex mitten im Ortskern. Das Haus ist nicht mehr bewohnbar, es sieht aus wie nach einer Explosion. Erst später wird klar, dass Framersheim mit seinen rund 1600 Einwohnern trotz aller Schäden noch Glück im Unglück hatte. Zwar sind rund 100 Gebäude in Mitleidenschaft gezogen – manche nur leicht, manche sehr stark, doch wie durch ein kleines Wunder wird niemand bei dem Sturm verletzt. Es habe nur „ein paar Kratzer“ gegeben, sagt Armbrüster. Und die zogen sich die Menschen bei den Aufräumarbeiten danach zu. Dennoch: Sechs Menschen haben ihr Zuhause verloren. Einer von ihnen ist Helmut Loleit, der einigermaßen ruhig und gefasst den Schreckensmoment schildert, als die Scheune zusammenbrach und sich ins Wohnhaus bohrte. „Der Bauschutt ist wie ein Schafott gerade reingegangen“, erzählt der 58-Jährige. „Wenn da jemand an der Spüle gestanden hätte, wäre er erschlagen worden.“ Zum Zeitpunkt des Sturmes waren seine Frau, sein Sohn und er selbst zu Hause. Auch eine Mieterin in der oberen Wohnung blieb unverletzt, muss nun aber mit ihrem Freund erst einmal woanders unterkommen. Loleit und Familie haben eine Pension in einem Nachbarort von Framersheim bezogen. Den Schaden an seinem Gebäude allein schätzt er auf 250.000 bis 300.000 Euro. Auch Nadine Seitner-Koretz wirkt gefasst. Sie und ihre Familie, Mann und zwei Kinder, sind Schlimmerem nur knapp entkommen. Sie wohnen in der Nachbarschaft des fast völlig zerstörten Hauses von Helmut Loleit. „Es ist eine Sache von Metern gewesen“, sagt sie. Nach dem Unwetter haben die Menschen in Framersheim sehr schnell angepackt und große Solidarität gezeigt. „Bis in die Nacht hinein haben sich die Leute geholfen. Das war schön und rührend“, berichtet Anwohnerin Seitner-Koretz. Alles sei sehr schnell gegangen, sowohl das Unwetter als auch das Eintreffen der Rettungskräfte. Relativ glimpflich sind auch Galina Holz und ihre Familie davongekommen. Unter anderem flogen ein paar Dachziegel weg, eine Scheibe wurde eingedrückt, zwei Bäume im Garten stürzten um. „Mama, es ist ein Tornado, wir müssen in den Keller“, habe ihr achtjähriger Sohn gerufen, erzählt Holz. Ihre Kinder hat sie jetzt bei den Großeltern untergebracht. Am Mittwochvormittag schwebt ein Polizeihubschrauber über dem Ort, um die Schäden von oben zu dokumentieren. Immer noch liegen viele Äste und Trümmer herum, Zäune sind umgekippt. An vielen Dächern hat der Sturm sichtbare Spuren hinterlassen. Vom Sportheim wurde ein riesiger Dachbalken abgerissen und nach Schätzung eines Anwohners rund 60 Meter durch die Luft gewirbelt, bevor er dessen Auto zerstörte. Viele Fahrzeuge von Dachdeckerfirmen sind in dem Ort unterwegs, die Schadenssumme dürfte insgesamt bei mehreren Millionen Euro liegen. „Jetzt geht es los mit den Aufräumarbeiten“, sagt Bürgermeister Armbrüster. Ob ein Tornado oder eine extreme Fallböe im rheinhessischen Framersheim am Dienstagabend gewütet hat, stand am Tag danach nicht fest. „Es kann beides gewesen sein“, sagte Andreas Friedrich, der Tornadoexperte des Deutschen Wetterdienstes (DWD), der Deutschen Presse-Agentur gestern. Vorerst werde der Sturm als Verdachtsfall geführt, wie drei andere am Dienstagabend in Sachsen-Anhalt. Nun müssten Augenzeugen gefunden und Videos oder Fotos ausgewertet werden, um ganz sicher zu sein. Erst in einigen Tagen werde feststehen, ob es sich um Tornados oder Fallböen gehandelt hat. (dpa)

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