Donnersbergkreis Modellrechnungen bestehen Praxistest

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Kirchheimbolanden: Man durfte sich am Samstag verwundert die Augen reiben, wie viele männliche Besucher im besten Schaffensalter gen Stadthalle strömten zur Infoveranstaltung der ERP über das Modellprojekt „Kibo Energy“. Zahlreiche Firmenwagen mit Kennzeichen von Alzey bis Mainz und Stadtbürgermeister Klaus Hartmüllers Grußwort führten zu des Rätsels Lösung.

Denn: Die Informationsveranstaltung, zu der ausdrücklich auch die Kirchheimbolander Bürger eingeladen waren, war verbunden mit der diesjährigen Versammlung der 140 konzessionierten Installateurunternehmen im Geschäftsgebiet des Alzeyer Energieversorgers ERP. Für sie ist die Versammlung, zu der der Installateurausschuss eingeladen hatte, gewissermaßen ein Pflichttermin. Doch einer, der auch auf großes Interesse stieß, greift das Thema Energiewende doch längst in ihren Arbeitsalltag ein und wird es, wie ERP-Geschäftsführer Peter Missal sagte, in Zukunft in noch viel größerem Maße tun. Ein wichtiger Baustein dafür könnte eine autarke, dezentrale Energieversorgung aus regenerativen Energien wie Windkraft und Photovoltaik sein. Seit 2015 sind die ERP – mit Professor Missal als Projektleiter – und weitere fünf Partner aus Wissenschaft und Industrie dabei, am Beispiel Kirchheimbolandens ein solches für Deutschland einmaliges Modellprojekt zu erarbeiten. Der Clou: Überschüssiger Strom könnte – bei einer Verzahnung von Strom- und Gasnetz – zunächst durch Umwandlung in Gas längerfristig gespeichert und bei Bedarf rückverstromt werden. Denn obwohl im Raum Kirchheimbolanden die vorhandenen Anlagen für regenerative Energiegewinnung bereits eine hervorragende Basis für das Projekt darstellen, zeigen am Schneebergerhof und am Photovoltaikpark Ilbesheim vorgenommene Messungen ein kräftiges Auf und Ab beim Potenzial an Sonne und Wind – mit teils tiefen wind- und sonnenlosen „Tälern“. Die Speicherung vor Ort könnte sie ausgleichen, vor allem aber würden so Kosten für den immens teuren überregionalen Netzausbau minimiert. Eine Ausnahme, erläuterte Missal, bilde die vorhandene Biogasanlage in Bischheim mit einer über drei betrachtete Jahre im Grunde konstanten Stromerzeugung. Diese Anlage kommt ins Gespräch, weil sie das im Umwandlungsverfahren von Strom zu Gas notwendige Kohlendioxid liefern könnte. Missal, der den Projektstand bereits im November 2016 dem Haupt- und Finanzausschuss des Kirchheimbolander Stadtrates erläutert hatte (die RHEINPFALZ berichtete ausführlich am 28. November), rekapitulierte abermals den Stand des bis Mai 2018 begrenzten und vom Bund mit 2,2 Millionen Euro geförderten Projekts, mit dem er sich überaus zufrieden zeigte. Die zunächst in Angriff genommenen theoretischen Modellierungen seien durch die Messungen im Strom- und Gasbereich bestätigt worden. Man habe aber nicht nur den Ist-Zustand in Kirchheimbolanden abgebildet, sondern Szenarien bis 2030 betrachtet. In nächsten Schritten gehe es darum, in einem virtuellen Kraftwerk Erzeugungs- und Verbrauchsdaten zusammenzufassen, was ein Management von Millionen Daten allein für das Kirchheimbolander Projekt bedeute. Eine „Power-to-Gas“-Versuchsanlage sei bei einem der wissenschaftlichen Projektpartner in Karlsruhe stationär in Betrieb gegangen. Missal erwähnte zum weiteren Abgleich von Daten ebenfalls den Einbau von vier Feldversuchsanlagen in Kirchheimbolanden durch die Firma Viessmann, zwei gebe es bereits, darunter ein Blockheizkraftwerk im Kindergarten Ritten (wir berichteten am 27. Februar). Am vorläufigen Ende soll, wie ein Imagefilm bekräftigte, ab 2018 der Bau einer kleinen Demonstrationsanlage stehen, um die Funktionsfähigkeit dieses Modells endgültig zu bestätigen. Dass er davon überzeugt sei, daran ließ Peter Missal keinen Zweifel – und zwar von einem Funktionieren „zu bezahlbaren Preisen“. Man würde diesem ersten Projekt gern einen zweiten Teil anfügen, gab er einen weiteren Ausblick. Das bedeute, mindestens eine zweite Zelle einzubeziehen, nämlich die Stadt Alzey, mehrere Energiezellen zusammenzuschalten, eventuell auch „Quartierlösungen“ wie zum Beispiel Neubaugebiete zu betrachten. Und schließlich: die Bürger selbst zu befragen, wie sie zur Energiewende stehen, die ja auch mit Ängsten verbunden sei. Missals Credo: „Die Energiewende hilft uns allen.“ Ganz in diesem Sinne präsentierten am Rande der Veranstaltung drei Aussteller Neuheiten der Gasgerätetechnik und Energieversorgung und wies Missal selbst auf die „Rausschmeißwochen“ der ERP hin, in denen zwischen März und Oktober 2017 gemeinsam mit Marktpartnern der Austausch alter Kesselanlagen durch moderne Brennwertgeräte gefördert werde. Info Einen Kurzfilm, der das Projekt „Kibo Energy“ gut verständlich beschreibt, hat die ERP über www.youtube.com bereitgestellt.|bti

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