Donnersbergkreis „Religion kein Mantel, den man an- und auszieht“

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Was hat ein Puzzle mit Religionen gemeinsam? Viel, wie die Veranstalter des ersten Multi-Kulti-Talks in Rockenhausen finden. Zwar ist jedes Puzzleteil für sich individuell, dennoch passen sie ineinander, ergänzen sich und ergeben ein großes Ganzes. Und über dieses große Ganze, aber auch über die Individualität einer jeden Religion diskutierten am Dienstagabend 25 Bürgerinnen und Bürger. Fünf Experten für Christentum, Judentum und Islam standen den Interessierten Rede und Antwort.

Um Akzeptanz und Respekt zu erreichen, müssen vor allem Vorurteile und Unwissenheit über fremde Kulturen aus dem Weg geräumt werden. Hier setzte der Multi-Kulti-Talk an. Fragen, Anregungen und Kritik konnten an die muslimischen Mitglieder des Landesverbands DITIB, Güven Sayan und Chan Sen, die Kaiserslauterer Dekanin Dorothee Wüst, Bernhard Gerlach – zwar selbst kein Jude, aber sehr gut mit der jüdischen Kultur vertraut – und Thomas Stubenrauch, katholischer Referent im Bistum Speyer, gerichtet werden. Knapp drei Stunden sprachen die Besucher vor allem darüber, was sie an ihrer Religion fasziniert. Besonders hervor stachen in der Diskussion die Gemeinsamkeiten der Religionen, die größer sind, als manch einer glaubt. Interesse weckte zum Beispiel der Fastenmonat Ramadan, der die Muslime während der heißen Sommertage in diesem Jahr besonders gefordert hat. Eine Besucherin hatte im Deutschunterricht für Flüchtlinge mitbekommen, wie ein Teilnehmer unter der Hitze und dem Fasten kollabierte. Sen und Sayan klärten hier über Ausnahmeregeln fürs Fasten auf. Auch die Juden fasten: Sie feierten am Dienstag ihren höchsten Feiertag, den Jom Kippur, an dem ebenfalls 24 Stunden streng gefastet wird. Ähnlich ist es bei den Protestanten – zwar nicht so streng, aber das fleischlose Essen am Karfreitag ist durchaus auch ein Fastentag. Geschichtlich wird eigentlich auch die Adventszeit als Fastenmonat gesehen, was allerdings, so Dekanin Wüst, unter der Flut von Spekulatius und Lebkuchen in Vergessenheit geriet. Wirkliche Diskussionen über aktuelle Themen kamen zwar –zeitlich bedingt – nicht auf, dafür konnte jeder sein Schulwissen über Religionen auffrischen und Andersgläubige „beschnuppern“. Wichtig war für viele, Lob und Kritik loszuwerden. Vorbildlich empfunden wurde zum Beispiel, dass die Muslime ihre Religion verehren. Denn in Kirche, Dom oder Münster ist das Verhalten der Besucher oft nicht so, wie es sich in einem Gotteshaus gehören würde. Die wichtigste Aussage des Abends brachte Dekanin Wüst auf den Punkt: „Religion ist kein Mantel, den man an- und wieder auszieht. Und sie darf auf keinen Fall zu Intoleranz führen.“ Auch Sen und Sayan wissen um die Problematik angesichts der Vorurteile bezüglich ihrer Religion: Man müsse den Islam konsequent ausleben, „wenn man das nicht tut, kommt so was wie der IS raus.“ Der Diskussionsabend hängt zusammen mit dem Kunstprojekt „Engel der Kulturen“, das am Sonntagnachmittag in der Rockenhausener Innenstadt abläuft (wir informierten in unserer gestrigen Ausgabe). Darin geht es um kulturelle Vielfalt, Aufklärung, Akzeptanz und Respekt. Im Zentrum steht ein Engel, dessen Umriss, eingefasst in einen Stahlring, gebildet wird von Kreuz, Mondsichel und Davidstern, den Symbolen von Christentum, Islam und Judentum. Die Aktion wurde 2008 ins Leben gerufen und seitdem vielerorts bis hin zum Europaparlament durchgeführt. Sie beginnt am Sonntag um 13 Uhr an der katholischen Kirche und hat ihren Höhepunkt mit dem Einlassen eines „Engels der Kulturen“ im Marktplatz am späteren Nachmittag. Während der seit einem Jahr laufenden Vorbereitungen dazu bemerkten die Organisatoren, wie komplex und wichtig das Thema ist und weiteten das vorgesehene Programm durch eine offene Diskussion aus. Dieser Multi-Kulti-Talk – mit musikalischer Unterhaltung von Jesse Carnduff – bildete den Auftakt. Das Interesse an einer solchen regelmäßigen Gesprächsrunde ist groß, wie die Diskussionsabende fortgeführt werden können, ist noch in Planung. Eins ist jedoch klar: ein erneutes Treffen ist so sicher wie das Amen in der Kirche.

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