Grünstadt Die Rückschläge sind vergessen

Ein schwarzer Tag: Bei den deutschen Meisterschaften im November 2017 wollte Sophia Attilo trotz einer noch nicht auskurierter V
Ein schwarzer Tag: Bei den deutschen Meisterschaften im November 2017 wollte Sophia Attilo trotz einer noch nicht auskurierter Verletzung zu viel. Am Ende stand sie mit leeren Händen da. Jetzt hat sie sich zurückgekämpft.

«Grünstadt.» Gewichtheberin Sophia Attilo vom KSV Grünstadt steht kurz vor einem Höhepunkt ihrer bisherigen sportlichen Laufbahn: Sie geht bei den Studierenden-Weltmeisterschaften in Polen an den Start. Dass sie es dorthin schaffen würde, war noch vor einem Jahr nicht abzusehen: Verletzungspech und die verpatzte deutsche Meisterschaft warfen die 25-Jährige zurück.

Heute fliegt Sophia Attilo nach Warschau. Von der polnischen Landeshauptstadt sind es noch knapp 170 Kilometer bis nach Biala Podlaska. Die Stadt nahe der weißrussischen Grenze ist Gastgeber der diesjährigen World University Championchips (WUC) im Gewichtheben. Die Hochschulweltmeisterschaft findet alle zwei Jahre statt. Die Nominierung erfolgt über den Deutschen Hochschulverband und unterliegt strengen Teilnahmenormen, um ein hohes internationales Niveau zu garantieren. Seit über einem Jahr bereitet sich die 25-jährige Polizeikommissarin auf die Weltmeisterschaften vor. Die geforderte Zweikampfleistung von 170 Kilogramm in der Gewichtsklasse bis 58 Kilogramm erreichte sie bereits Ende September 2017, danach warf sie eine Ellenbogen-Verletzung wieder um mehrere Wochen zurück. Dass sie sich so schnell nicht unterkriegen lässt, bewies Attilo erneut im November nach den deutschen Meisterschaften, die in einem kleinen Fiasko endeten. Trotz ihrer noch nicht auskurierten Verletzung versuchte sie, der Bundeskader-Norm so nahe wie möglich zu kommen – und hatte nach drei ungültigen Versuchen im Stoßen kein Zweikampfergebnis vorzuweisen. Ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt standen Gespräche mit ihrem Arbeitgeber, der rheinland-pfälzischen Polizei, über ihre berufliche Zukunft an. „Ich habe nach dem Abitur hart gekämpft, um in die Sportfördergruppe aufgenommen zu werden. Nach Ende meines Studiums wollte ich zumindest für ein weiteres Jahr dabei bleiben, um meine sportlichen Ziele zu erreichen“, sagt die Sportlerin. Denn nur so würde sie die Gelegenheit zu einer optimalen Vorbereitung haben. Und sie hatte Glück: Trotz ihrer verpatzten Vorstellung bei den deutschen Meisterschaften wurde ihre Mitgliedschaft in der Fördergruppe verlängert. „Ich habe mich riesig darüber gefreut und bin meinen Vorgesetzten unheimlich dankbar, dass sie an mich geglaubt haben.“ Aber die gute Nachricht stellte die ambitionierte Sportlerin vor unerwartete Schwierigkeiten. Musste sie doch ihr Trainingspensum erheblich erhöhen und benötigte dafür einen Betreuer, der kurzfristig in der Lage war, diese zeitintensive Tätigkeit zu übernehmen. Ihrem Vater John, Coach des Grünstadter Erstliga-Teams, wollte sie das nicht zumuten. „Er hat schließlich einen Vollzeit-Job, opfert schon jetzt viel von seiner Freizeit und kümmert sich noch um ungefähr 20 andere KSV-Athleten.“ Hilfe kam vom TSV Heinsheim – dem Verein, für den sie seit vergangener Saison im Mannschaftswettbewerb an den Start geht. TSV-Trainer Ferdinand Wittmann bot ihr seine Unterstützung an, seit Februar arbeiten die beiden zusammen. Inzwischen wohnt sie auch in Heinsheim, einem Vorort von Bad Rappenau. Ihr Vater betreut sie allerdings weiterhin bei den Wettkämpfen, an denen sie für den KSV Grünstadt an den Start geht. So zum Beispiel beim Women Grand Prix in Teneriffa und dem Internationalen Alpencup in Österreich – oder nun der Studenten-WM in Polen. Viele Dinge musste die Athletin in den vergangenen Monaten selbst organisieren – unter anderem die Aufnahme in das Anti-Doping-Kontrollsystem. Sie ist dazu verpflichtet, ihren Tagesablauf minutiös aufzulisten und sich in einem festgelegten Zeitfenster für unangekündigte Überprüfungen bereithalten. „Man rechnet täglich damit, dass es an der Tür klingelt und ein Mitarbeiter der Nada (Nationale Doping-Agentur) davor steht.“ Welche Chancen rechnet sie sich bei den Titelkämpfen in Polen aus? „Ich weiß es im Moment überhaupt nicht einzuschätzen, da keine Meldeliste veröffentlicht wurde. Ich kenne also weder die quantitative noch die qualitative Stärke meiner Gewichtsklasse.“ Daher steht auch der genaue Termin ihres Wettkampes bis jetzt nicht fest. Entweder in der B-Gruppe am Donnerstag oder in der A-Gruppe am Freitag. „Ich rechne aber eher mit der B-Gruppe. Deshalb werde ich mich ganz darauf konzentrieren, meine persönliche Zweikampfbestleistung von 173 Kilogramm zu steigern.“ In Polen kann sie auch Selbstvertrauen sammeln: Denn im Dezember steht mit der deutschen Meisterschaft in Roding ein weiterer Höhepunkt an. Dort werden auf nationaler Ebene wieder wichtige Entscheidungen gefällt – für ihre sportliche und berufliche Zukunft.

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