Grünstadt Ein Herz aus rosa Wattebällchen

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Als Kind ging es mir tierisch auf den Geist, wenn mein erstes sowie liebstes Spielzeug von all diesen fantasielosen Erwachsenen mit einem pinken Häschen verwechselt wurde. Da ich diesbezüglich auch heute noch unter leichter Reizbarkeit leide, stelle ich es gleich klar: Bei diesem Kuscheltier, das auf dem Foto zu sehen ist, handelt es sich um einen rosé-hautfarbenen Dackel. Deshalb klingt sein Name gar nicht so weit hergeholt wie es zunächst scheint, wenn man ihn für einen Hasen hält: Er heißt Nuckelhund. Glücklicherweise gelingt es mir bis heute, seine Namenskritiker zu ignorieren. Ich bitte aber grundsätzlich darum, Nuckelhund nicht aufgrund seines Namens zu diskriminieren, oder ihn wegen seiner Hautfarbe dem weiblichen Geschlecht zuzuordnen. Gerade als erwachsene Menschen, die gegenüber Kindern nicht nur in der deutschen Rechtschreibung und Grammatik, sondern auch in puncto Sozialkompetenz und Toleranz geübter sein sollten, müssten wir doch wissen: Das Geschlecht von Kuscheltieren ist weder Maskulinum noch Femininum, sondern Neutrum. Das bot mir als Kind in den 90ern den perfekten Freund. Weich und kuschelig wie er war, konnte mich nur Nuckelhund trösten, nachdem die Batterie meines Tamagotchis plötzlich leer war, oder ich mir beim Spielen den dünnen, spitzen Arm einer Barbie ins Auge gepiekst hatte. Gemeinsam rätselten wir, ob die dumme Barbie mich womöglich absichtlich angriff, weil ich bei meinen Eltern schon wieder um das nächste Modell bettelte. Denn seit Toy Story kannte ich das Geheimnis meiner Spielsachen: Sie lebten. Sobald ich mein Kinderzimmer betrat, stellten sie sich aber bewusstlos, damit ich besser mit ihnen spielen konnte, behauptete ich. Bei Nuckelhund spürte ich diese Art von Unterwürfigkeit aber nie. Er war mir viel mehr ein treu ergebener Freund. So sehr, dass es mir fast egal war, ob die anderen Spielsachen wirklich lebten oder nicht. Hauptsache, Nuckelhund würde eine Seele haben. Gefragt habe ich ihn nie. Das musste ich auch gar nicht. Schon als Kind war mir klar, ich hätte ihn doch gar nicht so sehr lieben können, wenn er selbst kein Herz gehabt hätte. Heute ist Nuckelhund vielleicht nicht mehr meine Nummer eins. Doch im Gegensatz zu den anderen Kuscheltieren, Barbie-Puppen, Tamagotchis oder zahlreichen imaginären Freunden hat er meine Kindheit überlebt. Und nach 22 turbulenten Jahren ist seine Haut mittlerweile so dünn geworden, dass man darunter tatsächlich sein Herz sehen kann: Es besteht aus rosa Wattebällchen. (jsb)

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