Grünstadt Wie aus einem Baum ein Bäumchen wird

Blätter des Ahorns.
Blätter des Ahorns.

Drei Monate lang versuchte die RHEINPFALZ zu erfahren, warum immer noch nichts von dem Baum zu sehen ist, der schon längst für einen gefällten großen Ahorn im Bereich der neuen Wohnanlage zwischen Neugasse und Westlichen Graben gepflanzt sein sollte. Und bei der Recherche gab es erstaunliche Erkenntnisse, die ein bisschen an der Nachhaltigkeit der Arbeit in den Amtsstuben zweifeln lassen. Sina Müller, Pressesprecherin des Kreises, forschte aufgrund der Anfrage der Zeitung im Frühjahr unermüdlich nach. Doch bei der Naturschutzabteilung im Kreishaus wusste man erstmal nichts von einer solchen Auflage. Jetzt, nach vielen Mails und Anfragen auch bei der Stadt, hat sich die Sache geklärt und erinnert an die Auskünfte des legendären Radios Eriwan, dessen Antworten stets mit der Floskel „Im Prinzip ja, aber ... “ begannen. So ist es auch mit der Verpflichtung, für den Ahorn einen Ersatz zu setzen. Zur Erinnerung: Der alte Baum durfte im August 2015, noch in der Schutzzeit, gefällt werden, weil seine Standsicherheit gefährdet war, berichtete die RHEINPFALZ damals. Ein „Hochstamm 1. Ordnung“, Mindeststammhöhe zwei Meter, sollte ihn ersetzen, wurde informiert. Im Prinzip gibt es also diese Auflage, aber es ist keine Verpflichtung, sondern eine freiwillige Vereinbarung mit dem Bauträger und die hat keine Rechtskraft. Es soll zwar ein Hochstamm gesetzt werden, aber wenn die Pflanzung nicht erfolgt, kann man nichts machen, so das Ergebnis der Recherche. Aber bis dies klar war, bedurfte es noch eines Gesprächs mit dem Bauträger, einem Grünstadter Architekten. Er wusste als einziger noch, dass es zur Baugenehmigung diesen Zusatz gab, und hat auch brav versucht, das Vereinbarte umzusetzen. Aber der Wohnungsbesitzer, dem jetzt die Fläche gehört, wolle keinen solchen großen Baum, informierte er. Nach dieser Info fand sich dann auch in der städtischen Bauabteilung die Vereinbarung. Und Stadtplaner Dirk Theobald bestätigte die Einschätzung der Kreisverwaltung, dass keine Rechtsverbindlichkeit besteht. Darum sei es auch unerheblich, dass nicht kontrolliert wurde, ob der Ersatz gepflanzt wurde. Der rechtliche Hintergrund: Die Stadt hat keine Baumschutzsatzung, die Bürger verpflichten würde, Bäume ab einer bestimmten Größe zu erhalten. „Bäume haben in der Stadt keine Lobby“, meinte kürzlich auch Pirmin Magez, Stadtratsmitglied der Grünen, in einem Gespräch mit der RHEINPFALZ. Aber das ist nicht neu. In der Broschüre „Grünstadt in Bild und Wort“ aus dem Jahr 1977 zitiert Autor Michael Mappes aus einer alten Chronik: „Bereits 1783 fielen auf dem Grünstadter Berg die letzten gemeindeeigenen Eichen, obwohl schon 1686 die gräfliche Verwaltung vergeblich Schutzvorschriften für diesen Baumbestand gegen die abholzenden Grünstadter erlassen hatte.“ Ein klein wenig mehr Erfolg als den gräflichen Herren ist dagegen jetzt anscheinend den Behörden beschieden. In einem Gespräch zwischen dem Architekten und einem Mitarbeiter der Naturschutzbehörde beim Kreis sei vereinbart worden, dass statt des Hochstamms ein kleiner Baum gepflanzt wird, informierte dieser Tage die Kreissprecherin. Für einen großen Baum sei auch überhaupt kein Platz mehr bei der Wohnanlage. Mit dem Kompromiss sind jetzt alle zufrieden: der Eigentümer des Grundstücks, die Stadtverwaltung sowie beim Kreis das Bauamt und die Naturschützer. Nur beim Bürger bleibt ein ungutes Gefühl zurück, er wird noch skeptischer sein, wenn es um Informationen von Behörden geht. Denn was soll er davon halten, wenn angeblich Auflagen gemacht werden, die nicht das Papier wert sind, auf dem sie gedruckt wurden?

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