Kaiserslautern Am Ende spitzelt das Christkind doch noch um die Ecke

Soulstimme trifft auf Blechpower: Stephan Flesch vor den Bläsern der Knecht-Ruprecht-Band.
Soulstimme trifft auf Blechpower: Stephan Flesch vor den Bläsern der Knecht-Ruprecht-Band.

Tja, wo blieb denn nun das Christkind? Nach 31 Jahren ununterbrochener Ausgaben unter dem Titel „Wir warten aufs Christkind“ hat mittlerweile (fast) jeder gemerkt, dass das Motto des Konzerts lediglich ironisch gemeint ist. Vielleicht haben Stephan Flesch, Markus Ziegler und die Knecht-Ruprecht-Band das Christkind mit ihrem Lärm vertrieben? Das Publikum in der jeweils ausverkauften Kammgarn war am Freitag, Samstag und Sonntag jedenfalls begeistert. Die Stimmung war grandios.

Da dachte man schon zeitweilig, Stephan Flesch und Markus Ziegler seien mit ihrem Latein am Ende, dabei tüftelten sie nur an einer neuen Liga. Mit ihrer zehnköpfigen Band feierten sie den fröhlichsten Surf-Pop und -Rock, hatten aber auch in ihren Mitstreitern wagemutige Wellenreiter gefunden. So war das Konzert eine Sammlung bunter Ansichtskarten von verschiedenen Ecken des Planeten zwischen Amerika, Italien, Irland und Deutschland. Zugegeben: Da wurde kein Gemeinplatz ausgelassen, um den Ohren einen Abenteuerurlaub zu bescheren, und es wurde voll das Klischee bedient. Aber Wolfgang Norman Dalheimers (Keyboarder und Arrangeur sämtlicher Titel) und Fleschs Klasse war es zu verdanken, dass das überhaupt nicht störte. Dalheimer ist am Keyboard und E-Piano eine grandiose Nummer. An den Tasten agierte er verwirrend wie die Choreographie eines Ameisenheeres, aber gestochen scharf und luzide. Die Rhythmusgruppe um Robert Schulenburg aus Düsseldorf und Hardy Fischötter aus Köln am Schlagzeug drängte wie die Hölle vorwärts und wartete mit virtuosen Fills und vertrackten Breaks auf. Markus Ziegler ist ein typischer Gitarristen-Typ der Jetztzeit – stilistisch vielfältig geprägt, mit vielen Wassern gewaschen, Grooveman und schräg denkender Tüftler in einem. Markant waren seine weich gezogenen Töne und kontrolliert schlingernden Linien, perfekt geeignet für souligen Ausdruck. Andererseits spielte er eminent funky und legte harsche Riffs vor. Der Auftritt des Bläsertrios war atemberaubend: drei hochenergetische Musiker, deren Läufe unglaublich flexibel und dabei passgenau waren. Ihre schneidenden Riffs, die peitschenden Linien, die akkuraten Phrasierungen, kratzig wie durch Sandpapier gefiltert, besaßen lavaähnliche Power. Ein lupenreines High-Note-Blowing bot Lorenzo Ludemann auf der Trompete wie in „Superstition“ von Stevie Wonder oder in „Happy“. Und er demonstrierte dabei sein überschäumendes südländisches Temperament. Ein Phänomen ist der Saxophonist Oli Leicht (HR-Bigband), ein Spieler, der das Coltrane-Erbe, wie in Chick Coreas „Spain“, so überschwänglich und energetisch emotionalisierte, dass seine Linien auf dem Höhepunkt zerplatzten. Ebenfalls in „Spain“ zeigte Posaunist Tobias Wember seine Expressivität, wobei er eine Flexibilität an den Tag legte, wie sie eigentlich nur ein Trompeter beherrscht. Traumhaft war das Verständnis aller Musiker untereinander, deren Stimmen sich immer wieder zu atmosphärischen Gesamtklängen verzahnten. Immer wieder begeisterte der Meister – Stephan Flesch. In seinem emotionsgeladenen Vortrag vereinigte sich, wie in „Me And Mrs. Jones“, Adeles „When We Were Young“, „Happy“ oder Lucio Dallas „Caruso“, erdige Wärme mit der vollen Grellheit des urbanen Rock and Roll. Isabel Fuchs bezirzte die Hörer in dem Udo-Jürgens-Song „Auch kleine Steine“ mit ihrer kristallklaren Stimme, und in „Get On Your Feet“ von Gloria Estefan legte sie ekstatisch los. Als Pyromanin zeigte sich auch Donniele Graves in „All I Want“ oder „Roots“ von der US-amerikanischen Rockband Imagine Dragon. Das Christkind spitzelte am Schluss aber doch noch aus einer Ecke, als Stephan Flesch nach dreieinhalb Stunden, in der dritten Zugabe „Silent Night“ intonierte. Das Publikum applaudierte frenetisch – im Stehen.

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