Kaiserslautern Aus Papua in die Westpfalz

Hatte Gäste aus Papua zum 1. Herbstkonzert des Inter-Musik-Vereins geladen: Torsten Laux.
Hatte Gäste aus Papua zum 1. Herbstkonzert des Inter-Musik-Vereins geladen: Torsten Laux.

Eine Lichtgestalt, ein Hoffnungsträger mit Tatendrang und Gemeinschaftsgeist: Orgelprofessor Torsten Laux hat am Sonntag die Herbstkonzertreihe des von ihm initiierten Inter-Musik-Vereins mit einem „interkontinentalen“ Konzert in der Friedenskirche begonnen. Dabei überraschten Gäste aus Papua mit „Musik vom anderen Anfang der Welt“.

Sein Ansatz ist international und religiös-ethisch, aber nicht konfessionell und an eine bestimmte Weltreligion gebunden. Mehr um eine Vision geht es also, wie sich in der gut besuchten protestantischen Kirche bei der Zusammenführung von Menschen verschiedenster Weltbilder und Kulturanschauungen zeigte.

Wenn ein Dudelsackspieler wie Klaus Alt zum Entree in nostalgischer Gewandung und zu traditioneller Musik im britischen Kolorit einmarschiert und Gäste aus West-Papua spontan zum Gelingen und zur Bereicherung eines Konzertes beitragen, dann zeigt dies mehr als alle Worte die kosmopolitische Offenheit und den völkerverbindenden Ansatz des neuen Inter-Musik-Vereins für religiöse und interkulturelle Veranstaltungen.

Ein junger Organist

Torsten Laux ist Mentor, Organisator und Spiritus rector, aber in bescheidener Art nur bei manchen Konzertveranstaltungen auch der Mittelpunkt des Geschehens. Dieses Mal legte er den Orgelpart in die Hände des erst zwölfjährigen Nachwuchsorganisten Severin Günther aus Mannheim, der sowohl solistisch konzertierend wie auch als einfühlsamer und flexibler Begleiter das große Vertrauen rechtfertigte. Er begleitete seinen Vater Volker Günther bei dessen neu entdeckten Preziosen der Trompetenliteratur, die dieser mit Brillanz und in spielerischer Eleganz anging. Die Fanfare im Stile barocker Intraden des belgischen romantischen Komponisten Jacques Nicolas Lemmes zum Auftakt wurde so gleich ein Höhepunkt an harmonischer Übereinstimmung im Zusammenspiel und gemeinsamer Stil- und Werkauffassung.

Das setzte sich mit Raritäten wie der Sonate für Trompete von Giuseppe Aldrovandini fort, der in melodischer Erfindungskraft und virtuoser Linienführung des Trompetenparts seiner Zeit des Hochbarock mit empfindsamen lyrischen Kantilenen im Largo weit voraus schien und in Volker Günther (dem Dozenten der Mannheimer Musikschule) einen adäquaten und feinsinnig gestaltenden Interpreten in tonlicher Brillanz und spielerischer Eleganz fand. Lediglich bei der Begleitung der Händel-Arie wäre die Tongebung weicher und in der Imitation des Gesangsparts dezenter denkbar.

Immer wieder: Bach

Ob Pianisten oder Organisten, kein Weg nach oben führt an Johann Sebastian Bach vorbei: Sein Ausschöpfen sämtlicher Dur- und Molltonarten und der Rückgriff auf Kirchentonarten, die satztechnischen Formen und Finessen wie Spiegelung um eine Achse sowie die Textausdeutung mit rhetorischen Figuren weisen bis in die Gegenwart. Severin Günthers Annäherung an Bach ist noch vom Ringen um spieltechnische Solidität und strukturelle Klarheit geprägt. Bei der Triosonate offenbarte er ein feines Gespür für die Linearität der dialogisch verbundenen Stimmen; grifftechnisch fehlten nur manchmal Bruchteile der vollen Präzision. Eine Adaption der Komposition des Weimarer Prinzen Johann Ernst folgte. Bach wuchs bei solchen Bearbeitungen von Vorlagen (so auch bei Vivaldis Violinkonzerten) meist über sich hinaus, steigerte die Vorlage mit immenser Spielfreude, was wiederum Severin Günther dankbar aufgriff und sich hier lebendig und mit gestalterischer Intensität präsentieren konnte.

Seit vielen Jahren öffnet die Mezzosopranistin und Konzert- wie Oratoriensängerin Antonietta Jana alle Geheimnisse einer ergreifenden und beseelten Lied- und Vortragskunst. Dies mit stimmlicher und intonatorischer Reinkultur par excellence. Aber mehr noch macht Staunen, dass über diese lange Zeit der Prägung des regionalen und überregionalen Kulturlebens diese Stimme nicht an Spann- und Strahlkraft, an Glanz und Expressivität sowie interpretatorischer Intensität verliert. Im Gegenteil, am Sonntag festigte sich der Eindruck, dass Jana in natürlicher Lockerheit und Leichtigkeit der Stimmansprache ihre Kostproben in entwaffnender melodischer Anmut zelebriert: Bei einem geistlichen Lied von Christopher Tambling etwa oder bei einer Arie aus Händels Oratorium „Samson“ eindrucksvoll zu erleben – und dies sogar noch gesteigert bei einem Abendlied von Tambling, das an Innigkeit und Innerlichkeit kaum zu übertreffen war und seine Wirkung allein durch diese Zartheit und subtile Lyrik bezog.

„Musik vom anderen Anfang der Welt“

Die Überraschungsgäste aber kamen von weit her, aus Papua, eine der fünf Provinzen von West-Neuguinea. Vier Repräsentanten der dortigen evangelischen Kirche folgten der Einladung des missionarisch-ökumenischen Dienstes der protestantischen Landeskirche, darunter der Generalsekretär der Evangelischen Kirche im Lande Papua, Daniel Kaigere, sowie Hermin Marewa, Martina Arwam und Amelda Wamafma. Sie trugen im unbegleiteten klassischen A-Cappella-Gesang als Vokalquartett ihre hohe Kunst, der Volksseele entspringend, in die Kirche: die Lieder „Tanah Papua“ und „Kesukaan yang ceria“. Ein traditionelles geistliches Lied ihrer Heimat und eine besondere Bearbeitung: Ein eigener Text wurde mit Beethovens Melodie aus dessen Schlusschor der 9. Sinfonie versehen und klang authentisch, wobei Beethoven als freigeistiger Komponist ohnehin auch das Vorbild und Leitbild von Laux für seine Visionen ist.

Einer Ode an die Brüderlichkeit und Humanität folgte eine hymnische Verklärung des Inselstaates, zunächst vorgetragen als traditionelles Lied durch den genannten Trompeter. Der ging das Kleinod sehr ausdrucksvoll an. Schließlich folgte eine Uraufführung des Orgelprofessors Torsten Laux, der diese Melodik zunächst aufgriff und die Tonsysteme aus Papua aufgriff. „Musik vom anderen Anfang der Welt“, nennt Laux die traditionellen Tonleitern aus Indonesien.

Dann aber konnte er die Experimentierlust Bachs nicht leugnen, als er die melodischen Einheiten variierte, veränderte und paraphrasierte und in orchestrale Klangwirkungen mit exaltierter Harmonik übertrug. Eine Aufführung zwischen Konzertfantasie, ausgearbeiteter aber freier Komposition und Improvisation. Passend zum Freiheitsstreben der Völkergruppe der Papua, eingebettet in einen festen Ritus. So wie die Komposition, da flossen Weltanschauung und Musikauffassung zum Ausklang wundervoll zusammen.

x