Kaiserslautern Ausgedient: Erol Sander auf dem Pferd

„Gemetzel“ – der Name des Stücks für die Nibelungen-Festspiele 2015 klingt so reißerisch wie eh und je. Blutrot sticht das Plakat ins Auge. Dennoch: „Wir sind angetreten, es anders zu machen“, sagt Nico Hofmann, Nachfolger von Dieter Wedel als Intendant, gestern bei der Präsentation der ersten konkreten Planungen. „Erol Sander auf dem Pferd wird es mit mir nicht mehr geben.“

Stattdessen geht es um Sinn und Sinnlichkeit, Subtilität und Tiefenschärfe, Erdung statt Überhöhung, Relevanz und Wahrhaftigkeit. Und immer wieder: Qualität. Einen neuen Geist scheint das Leitungsteam in der Gesprächsrunde zu beschwören. „Wir wollen weg vom Eventcharakter“, sagt Autor Albert Ostermaier, der das Stück für 2015 in Arbeit hat. Daher will Hofmann bei der Besetzung das Rezept seiner Filme übernehmen: lieber unbekannte Schauspieler zu entdecken, die etwas können, als mit bekannten Namen aufzutrumpfen. „Wer heute nur dekorativ auf große Namen setzt, wird es nicht schaffen“, bricht es geradezu aus ihm heraus. Einen bekannten Namen wird es dennoch geben: Aleksandar Denic ist dabei, der mit Frank Castorf die Bayreuther „Ring“-Inszenierung entwarf und jetzt zum Bühnenbildner des Jahres gekürt wurde. Ostermaiers Stück setzt ein am Hof Etzels kurz bevor die Burgunder eintreffen und Kriemhild Rache nimmt im finalen Gemetzel in der Waffenhalle. „Das Nibelungenlied ist eins der radikalsten Antikriegsstücke der Literaturgeschichte“, sagt Ostermaier. Ihn wundere, wie es so missbraucht werden konnte für die Nazi-Ideologie. Und wie es zugleich ein so geringen Stellenwert in unserer Kultur genieße. Poesie und Musikalität dieses „phänomenalen Textes“ habe er zu erhalten versucht. Auch habe er sich mit den Bearbeitungen des Stoffs auseinandergesetzt bis hin zu George R. R. Martins „Lied von Eis und Feuer“ – verfilmt als „Games of Thrones“. Der Autor zieht aktuelle Parallelen: Gewalt, Religionsstreit und Bürgerkriegssituation – das erinnere ihn an den Besuch von Flüchtlingslagern im Libanon, die starken Eindruck bei ihm hinterlassen hätten. „Wenn man in den Augen der Kinder lesen kann, kann man etwas über sich lernen.“ 2015 wird die Geschichte denn auch aus dem Blickwinkel eines Kindes erzählt. Und in den nächsten Teilen der geplanten Trilogie soll sich die Perspektive ändern. Ortlieb ist der halbwüchsige Sohn von Kriemhild und Hunnenkönig Etzel. Mit seiner Prägung durch beide Kulturen, die sich bekriegen, trage er eine Hoffnung für die Zukunft in sich, so Ostermaier. Ortlieb hat schon viel von seiner Wormser Verwandtschaft gehört und blickt den Helden und Drachentötern mit Neugier und Bewunderung entgegen. Als neue Figur führt Ostermaier einen Narren ein, der sich wie bei Shakespeares „Hamlet“ Freiräume erspielen könne. Eine Schauspieltruppe soll die Vorgeschichte erzählen in Tanzszenen, für die der amerikanische Choreograf Ted Stoffer verpflichtet wird. Und auch eine Band soll spielen – so sei man schon im Gespräch mit dem deutschen „Panzerballett“, das munter Metal und Jazz mischt. Als Gegenpol zum bunten Treiben fungieren die Obsessionen und Ängste Kriemhilds. Nach der Pause dann wende sich die Komödie zu einer Tragödie, so Ostermaier. Ortlieb werde seine kindliche Unschuld verlieren, wenn er zum ersten Mal mit einem Verrat konfrontiert wird. „Es wird sehr brutal zugehen“, sagt der Autor und konkretisiert sogleich: „mental“. Fechtszenen und Ritter auf Pferden gebe es nicht. Dafür einen überraschenden Schluss. Regie wird Thomas Schadt führen, Leiter der Filmakademie Baden-Württemberg und Dritter im Intendantenbunde. Bei den Sondierungen im Vorfeld sei man unter den bekannten Regisseuren zwar auf eine „große Offenheit“ gestoßen, nach Worms zu kommen, sagt Hofmann. „Doch das würde eine ganz eigene Nummer werden.“ Stattdessen will das Leitungsteam selbst die Maßstäbe setzen, „auf welchem Niveau wir im nächsten Jahr aufschlagen wollen. Mit der Dreierbande fühle ich mich sehr sehr stark“, betont Hofmann. Doch er wünsche sich auch, dass der Stoff – anders als in den Wedel-Jahren – verschiedene Handschriften erfahre. Für 2016 ist daher schon Nuran David Calis als Regisseur verpflichtet. In seiner Inszenierung setzt Schadt nach eigenen Worten vor allem auf emotionale Identifikation. „Ich will, dass die Figuren etwas mit uns zu tun haben. Ich will den großen Figuren etwas Leises und Sinnliches entgegenstellen.“ Trotz des Titels will er kein blutrünstiges Gemetzel auf der Bühne veranstalten.

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