Kaiserslautern Das Bild von einer Frau

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Zweifellos gehört Jacqueline Kennedy Onassis, geborene Jacqueline Lee Bouvier (1929 bis 1994) in der westlichen Hemisphäre noch heute zu den bekanntesten Frauen des 20. Jahrhunderts. Bekannt wurde sie als Gattin des 1963 ermordeten 35. US-Präsidenten John F. Kennedy und des Reeders Aristoteles Onassis.

Wer aber war Jackie, wie sie weithin von den Gazetten genannt wurde? Was waren ihre wirklichen Ambitionen, Träume, ihre Leistungen? Sie war ganz bestimmt mehr als „eine Frau an der Seite von“. Immerhin ist bekannt, dass sie Geschichte, Literatur, Kunst und Französisch studiert hat, stark an Kultur interessiert war, in jungen Jahren als Journalistin gearbeitet hat. Es wäre spannend, mehr zu erfahren, ihr als Persönlichkeit näherzukommen. Der Film dazu ist noch nicht gedreht worden. Pablo Larraín, in seiner Heimat Chile erfolgreich mit Kino-Hits wie „No“ (2012) und „Neruda“ (2016), zielt in seinem ersten englischsprachigen Spielfilm auf das Abziehbild „Jackie“. Er zeigt die First Lady der USA (Natalie Portman) in einem kurzen Abschnitt ihres Lebens, in der Zeit unmittelbar nach der Ermordung ihres ersten Gatten John F. Kennedy im ausgehenden Jahr 1963. Wesentliche Quelle für das Drehbuch von Noah Oppenheim waren offenbar persönliche Aufzeichnungen, Dokumentarmaterial, Erinnerungen von Zeitzeugen und die vielen sehr intimen, erst 2014 in der Öffentlichkeit aufgetauchten, Briefe, die Jackie zwischen 1950 und 1964 dem irischen Priester Joseph Leonard geschickt hat. Es sind Briefe, in denen sie offenherzig über die Schattenseiten des Daseins an der Seite ihres ersten Gatten berichtet hat. Jacqueline Kennedy zeigt der Film nicht. Zu sehen ist die öffentliche Figur, das Bild, das in der Öffentlichkeit bekannt ist, angereichert mit Vorstellungen davon, wie es wohl hinter den Kulissen ausgesehen haben mag, als sie, mehrfache junge Mutter, zur Witwe wurde. Aber die Blicke durch die Schlüssellöcher ins Weiße Haus sind genau so sauber und schick, wie die Fotos, die von Jackie in Umlauf sind. Die Story des Spielfilms ist rasch skizziert: Ein Journalist interviewt die berühmte Witwe eine Woche nach der Tat. Sie erinnert sich. Und sie macht ihm klar, dass er nichts drucken lassen darf, was sie nicht veröffentlicht haben will. Da sehen wir also eine der oberen Zehntausend, die ins Abseits gestoßen wurde und nun versucht, das Bild von sich und das ihres toten Mannes zu pflegen. Optisch ist das ausgesprochen schick. Von besonderem Reiz ist das Miteinander von heute inszenierten Szenen und historischen Aufnahmen. Nur: Über die Realität außerhalb des Dunstkreises der Hauptfigur verrät der Film so gut wie nichts. Anders als die Spielfilme „JFK“ und „Bobby“, in deren Zentrum die Ermordung John F. Kennedys stand, wird dieses Mal die Zeitgeschichte nahezu ausgeblendet. Damit fehlt auch ein wirklicher Bezug zum Heute. Was der politische Mord am 22. November 1963 in Dallas für die nachfolgende Historie bedeutet, wird hier nicht einmal angetippt. Was die Frau tatsächlich durchgemacht hat, kommt, abgesehen von ein paar Gläsern Whisky zu viel, nicht zum Tragen. Zweifellos: Natalie Portmans Gemälde von Jackie ist absolut reizvoll. Von Kostüm und Maske zu verblüffender Ähnlichkeit gebracht, in Mimik, Sprechweise und Gestik dem Original sehr nahe kommend, gibt sie eine geradezu perfekte Imitation. Das ist stark, wenn die Einsamkeit der Trauernden und die stille Verzweiflung der Gedemütigten in intimen Großaufnahmen ausgestellt werden. Man meint, das Zucken der Nerven unter der Gesichtshaut Natalie Portmans zu sehen. Ja, die brillante Schauspielerin ermöglicht es in einigen Szenen, Jackie vermeintlich ganz nah zu kommen, ihr, der Entrückten, auf die Pelle zu rücken. Und sie darf zeigen, wie diese Frau, die sich selbst als Figur der Zeitgeschichte sehen möchte, das eigene Abziehbild mitverantwortet, indem sie nach außen hin stets die Contenance bewahrt, den Operetten-Grundsatz „immer nur lächeln“ unter dem Blick der sensationslüsternen Umwelt eisern beherzigt. Wirklich nah kommt da niemand niemandem. Und so ist es auch mit diesem Film. Der, das macht ihn sympathisch, das nicht verheimlicht. Am Schluss, der hier natürlich nicht verraten werden soll, zeigt der Film, dass die Marktwirtschaft gar kein Interesse daran hat, etwas Wahres über Jacqueline Kennedy Onassis, geborene Jacqueline Lee Bouvier, zu erfahren. Es geht allein darum, „Jackie“ gewinnbringend zu verkaufen.

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