Kaiserslautern Das Drehbuch des Lebens

Das Team der Landstuhler Stadthalle hat mit der Veranstaltungsreihe „Schön gehört“ Kleinkunst groß herausgebracht: Das Erfolgsrezept des Besucherbooms im oberen Foyer der Mittwochreihe liegt in der hautnahen Präsentation origineller Nischenprogramme in einer natürlichen Atmosphäre mit Wohnzimmercharakter. Dafür war das Quartett mit zwei pfälzischen Ehepaaren (Paqué und Mrotzek) und dem originellen Namen Mon Mari et Moi (mein Ehepartner und ich) geradezu prädestiniert.

Die für das Genre Chanson erst in den letzten Jahren entdeckte und nun für Aufsehen sorgende Sängerin Shakti Paqué kam zum Gesang wie sprichwörtlich die Jungfrau zum Kind: Was aus Gefälligkeit für eine Nachbarin als Geburtstagsständchen begann, zieht immer weitere Kreise bei inzwischen überregionalen Auftritten. Paradox, dass diese Karriere auf den Spuren von Repertoiregrößen wie Hildegard Knef, Marlene Dietrich, Zarah Leander oder Jacques Brel ausgerechnet mit einem Kneftitel „Von nun an ging’s bergab“ begann. Das sollte aber bei dem Landstuhler Chansonabend nicht die einzige Kuriosität bleiben. Shakti Paqué, ein durch amouröse Verflechtungen in die Pfalz „verschlepptes“ Nordlicht, plaudert im charmanten, sympathischen Konversationston gerne über die biographischen Hintergründe dieser Formation, bei der sich zwei Ehepaare ideal ergänzen; dass sie etwa am gleichen Tag heiraten, gegenseitig als Trauzeuge fungierend, macht die Formation noch interessanter für einen Musikmarkt, der solche „Drehbücher des Lebens“ liebt. Das Quartett ist keinesfalls eine der üblichen Covergruppen, die eine authentische Rekonstruktion oder Imitation anstreben. Sie treffen auf ihre eigene Vortragsweise genau den zwischen dezenter Gesellschaftskritik, Melancholie und Poesie schwankenden Ton der Titel. Beispiel: „Die Welt ging unter am Zürichsee“ beschreibt eine menschliche Tragödie durch Trennung, Einsamkeit, Isolation und Sprachlosigkeit einer sich in der Knef-Zeit beginnenden Individualisierung; diese Tragweite schwang in Paqués beseeltem, verinnerlichtem und ausdrucksstarkem Vortrag mit. Die Sängerin hat eine ungewöhnliche tiefe, sonore und leicht angeraut klingende Stimme mit eigenem künstlerischem Profil, das sie auf die Vorträge wirkungsvoll abstimmt. Nicht Knef, sondern Paqué und doch seelenverwandt im intensiven und expressiven Erfassen seelischer Empfindungen und Abgründe. Mit eigenem Umtextieren – etwa bei einem Geburtstagsständchen – und der aufwendigen Instrumentierung, Harmonisierung und Rhythmisierung gehen die Vier sogar noch über das Vorbild hinaus: Der Rhythmus ist komplexer, lebt vom perfekt abgestimmten Verhältnis aus pulsierendem, aber klanglich dezent eingesetztem Schlagwerk (Jürgen Mrotzek) mit einem außergewöhnlich variantenreichen Basspart seiner Ehefrau Inge, durchsetzt mit Gitarrensoli von Mathias Paqué, der sattelfest auch mal sichere Nachschläge zum Rhythmus einbringt. Durch das gelegentliche Einbeziehen von Tasteninstrumenten wie Memotron und Melodika entsteht eine klangliche Vielfalt, die Chansonniers mit schlichter akustischer Gitarrenbegleitung (etwa Reinhard Mey) sonst nicht haben. Auch davon lebte das abwechslungsreiche Programm. Und: Eigene Titel zeigen, dass der Tonfall französischer Chansons auch in der benachbarten Pfalz getroffen wird.

x