Kaiserslautern Eine Soulstimme aus dem hohen Norden

Die beste weiße weibliche Soulstimme seit langem, beschreiben Kritiker wie Publikum die skandinavische Sängerin Ida Sand. Am zweiten Abend der 20. Ausgabe des Kammgarn International Jazzfestivals, am Mittwochabend, konnten sich die Besucher in der proppenvollen Gärtnerei Koch-Christmann davon überzeugen. Im Gepäck hatte das Nordlicht das neues Album „Young at Heart“ (wir besprachen die CD am Samstag); entsprechend sang Ida Sand vorrangig Songs von Neil Young. Sand im Getriebe gab es dabei nicht die Spur.

Der Kanadier Neil Young war eine der interessantesten Figuren des vom Drogen-Horror geschwärzten Folk-Rock der Post-Flower-Power-Jahre nach 1968. Mit seinem erdigen Sound präsentierte er sich als introvertierter Romantiker, der auf der Suche nach einem verlorenen Paradies Amerika war und bei dieser Suche doch nur eine Alptraumwelt fand. Viele seiner Songs gefielen sich in depressiver, narzisstischer Selbstverlorenheit. Eine seiner Devisen hieß: „Es ist besser, sich völlig zu verbrennen, als zu verrosten.“ In ihren Stilvariationen klangen Ida Sands Song-Adaptionen garantiert rostfrei. Denn ihre erdig-herbe, zuweilen tiefschwarze Stimme war dem Gospel und Blues authentisch verbunden und klang so gar nicht nach Skandinavien. Richtig angenehm hob sie sich auch von den derzeit aus dem Boden sprießenden „Gänseblümchen“ ab, die uns mit ihrer naiv-kindlichen Piepsstimme an ihrem Erwachsenwerden teilhaben lassen wollen. Bestens zur Geltung kam ihre wunderschöne, dunkel timbrierte Stimme bei Balladen wie „War Of Man“, „Birds“, „Old Man“ oder „Hey Hey, My My“. Eine härtere, rockige Gangart legte sie bei Songs wie „Sea of Madness“, „The Weight“ oder „Woodstock“ vor. Da schlug ihre Stimme den Hörer vollends in Bann. Eine große Bereicherung war der Überraschungsgast Joakim Milder, der schon am Vorabend mit dem polnischen Wasilewski Trio für Furore gesorgt hatte (wir berichteten gestern an dieser Stelle). Auf seinem Saxofon brachte Milder zusammen mit Ida Sands Band, die sich zuvor recht reduziert präsentierte, die getrockneten Klangblumen Youngs – wie „Harvest Moon“ und „Ohio“ – zu neuer Blüte, weil er genau den Ton aus poetischer Rezitation, faszinierender Dunkelheit und scharfkantiger Schönheit traf. Umjubelt wurde auch der „Hausherr“ der Gärtnerei Koch-Christmann, Albert Koch, der sich in der Nummer „Birds“ wunderbar in die Band einzufühlen wusste, ihr neue Flügel verlieh und den Musikern den Fehdehandschuh vorwarf. Dankbar nahm das Publikum an, dass die Schwedin auch eine ausgezeichnete Klavierspielerin ist und ihr Gesang mit ihrem Klavierspiel Hand in Hand ging. Während Jesper Nordenström am Keyboard die eher langsamer klingenden Balladen atmosphärisch untermalte, begleitete er die rockigen Songs mit Orgelsounds voller umwerfender Dynamik. Mehr begleitende Funktion hatten Matthias Torell (Gitarre), Sven Lindvall (Bass) und Christer Jansson (Schlagzeug). Mit ihrem mal subtil treibenden, dann wieder semi-offensiv energischen Spiel sorgten sie für eine Sogkraft, die lyrische Ausdruckstiefe und poetischen Empfindungsreichtum besaß. Die knisternde Spannung zwischen Bühne und Publikum war in diesen Momenten greifbar. Dabei schien die Maxime „weniger ist mehr“ zu sein. Das große Ganze war wichtiger, als sich in vielen Einzelaspekten zu verzetteln. Da waren die Melodien zwar sehr ausgefeilt, die Dynamikbögen mitreißend, die Virtuosität der Bandmitglieder jedoch immer nur Mittel zum Zweck und kein Blendwerk. Tiefe grundlegende Gefühle waren der gemeinsame Nenner aller Songs. Das war zwar nichts für Jazz-Puristen, aber traumhaft schön, zumal auch die herrliche Atmosphäre in der Gärtnerei dazu beitrug. Das Publikum war schlichtweg hingerissen. Schade nur, dass die Schwedin mit gerade mal einer Zugabe etwas knausrig war.

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