Kaiserslautern Irritierende Perfektion

Das erste Konzert der Mittagsreihe im SWR-Studio – À la carte – brachte eigentlich vier Wunderkinder ins Spiel. Die von der Geigensolistin Clara-Jumi Kang gespielte Stradivari aus dem Jahr 1708 war das fünfte Wunder in Folge, so traumhaft schön klang der Solopart des Violinkonzertes von Henryk Wieniawski.

Zum Auftakt hörte man die Konzertouvertüre zu „Spartacus“ von Camille Saint-Saens, der bereits mit drei Jahren komponierte und als Zehnjähriger sämtliche 32 Beethoven-Klaviersonaten auswendig spielte und dazu in vielen Künsten und Wissenschaften versiert und gebildet war. Wieniawski studierte als einer der bedeutendsten Geigenvirtuosen überhaupt schon mit acht Jahren am Pariser Konservatorium und begann mit 16 Jahren eine internationale Laufbahn. Und die in Mannheim geborene, am Donnerstag sein Violinkonzert grandios aufführende Konzertgeigerin Clara-Jumi Kang tritt in seine eigentlich großen Fußspuren und begann schon mit drei Jahren ihr Geigenspiel, ein Jahr später wurde sie an der Mannheimer Musikhochschule aufgenommen und wechselte mit sieben Jahren an die berühmte Juilliard School nach New York. Es folgte eine steile Solistenkarriere mit internationalen Konzert- und Wettbewerbserfolgen. Der niederländische Gastdirigent Enrico Delamboye hatte sein Debüt als Operndirigent mit nur 22 Jahren. Muss man mehr sagen? Das Konzert stand also unter einem guten Stern und die hohen Erwartungen wurden auch mehr als erfüllt. Nach der Sommerpause knüpfte die Deutsche Radio Philharmonie nahtlos an die Konzerterfolge jüngster Zeit an, spielte alle Facetten der Partitur von Saint-Saens aus, von beseeltem, ruhig fließendem Melos und feinsinnigen Holzbläser-Episoden bis hin zu eruptiven, plakativen Ausbrüchen, ganz im Geiste eines Klang- und Schlachtengemäldes: Schließlich ging es dem nach Freiheit strebenden Spartacus nicht nur um seinen eigenen Lebensweg aus der Notlage der Sklaverei, sondern er führte Leidensgenossen zum Kampf gegen Unterdrückung und Knechtschaft. Was letztlich an der Übermacht römischer Heerscharen scheiterte. Delamboye balancierte klanglich geschickt, hielt zu gestalterischer Intensität und Expressivität bei Homogenität des Streicherklangs an. Er erreichte dramatische Wirkungen ebenso wie feinsinnige Kantilenen und war dann beim Violinkonzert ein Mittler zwischen manchmal rhapsodisch und agogisch freien Solopassagen und dem hellwachen, flexiblen Orchesterklang. Vielleicht wäre dieser an manchen Stellen zu opulent gewesen, wäre nicht die Strahlkraft dieser wunderschönen Stradivari: eine Offenbarung hinsichtlich des schlanken, klaren und doch so weit tragenden Geigentons, der sich mühelos aufschwingt. Und die Solistin zelebrierte, ziselierte und brillierte im ganz großem Stil. Vituoser, packender und mitreißender Zugriff einerseits und doch auch wieder wie entrückte Kantilenensüße. Alles in einem Solopart und in allen Klangschattierungen ausgereizt und in spieltechnisch irritierender Perfektion in Reinkultur. Doch es geht Clara-Jumi Kang nicht um Effekthascherei, sie zeigte die ganze Palette des Geigenspiels, wenn sie in der Zugabe nach langen Ovationen einen Satz aus einer Solo-Sonate von Johann Sebastian Bach sozusagen auf den Kern der Linearität und strukturellen Klarheit zurückführt. Askese pur und nicht minder eindrucksvoll ob dieser seltenen Transparenz.

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