Kaiserslautern Jetzt sehen wir schon rosa Kaninchen

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Der katalanische Regisseur Calixto Bieito ist seit Jahren Stammgast an der Stuttgarter Oper. Legendär ist vor allem seine „Jenufa“. In jüngster Zeit hat er dort vor allem Musiktheater der Barockzeit in Szene gesetzt. Bei der Semi-Opera „The Fairy Queen“ von Henry Purcell machen jetzt Oper und Schauspiel des Württembergischen Staatstheaters gemeinsame Sache.

Wer Bieitos Stuttgarter Produktionen von Händels „Il trionfo del tempo e del disinganno“ und Rameaus „Platée“ gesehen hatte, wusste, was bei der Halb-Oper des Orpheus britannicus von 1692 zu erwarten sein würde. In der Tat, auch aus Purcells „Feenkönigin“, die musikalische Einlagen für Shakespeares Komödie „Ein Sommernachtstraum“ bringt, macht Bieito ein schrilles und buntes Spektakel mit jeder Menge angedeuteter Geschlechtsakte, Schwulenszenen, Travestienummern und anderer szenischer Knalleffekte. Auch die aus „Il trionfo“ bekannte gerontologische Statisterie fehlt nicht. In drei Stunden gibt es fast die ganze Musik von Purcell, aber nur ausgewählte Textpassagen von Shakespeare. Die Handlung ist auch nicht so wichtig: Musik, Spiel und Tanz wirken im Prinzip für sich. Was allerdings die Frage nach dem tieferen Sinn des Ganzen ein ums andere Mal offen lässt. Offen ist überhaupt vieles in diesem Spiel. Mal sprechen die Sänger, mal singen die Schauspieler. Nun war in der Barockzeit Oper nicht zuletzt ein Spektakel in der Zeit des Karnevals. Die Stuttgarter Einstudierung ist in diesem Sinn nicht nur richtig terminiert, sie ist in der Tendenz auch eine Art Prunksitzung für die Freunde krassen Theaters. Dass es zu Zeiten Shakespeares auf den Bühnen handfest zuging, ist bekannt. Auf ihre Art ist diese schräge Show deshalb gar nicht unhistorisch. Nur ist nicht alles pure Gaudi, wie zum Beispiel das vielfach über die Szene hüpfende rosa Kaninchen. Es gibt interessante Anspielungen auf das Theater im Allgemeinen und das des 17. Jahrhunderts im Besonderen. Auch bietet der Regisseur witzige Lösungen für bestimmte Motive aus der Vorlage. Und zu den Urthemen Welt und Traum, Liebe und Hass oder Mann und Frau lassen sich immer Assoziationen finden. Erstaunlich, dass die rustikalen Handwerkerszenen fehlen. Titania verliebt sich hier statt in Zettel in einen Eberhard aus der vorletzten Reihe im Publikum. „One charming night gives more delight than a hundred lucky days“ (Ein bezaubernde Nacht verschafft mehr Vergnügen als hundert glückliche Tage): Dieser Satz aus dem wohl berühmtesten Song von Purcells Partitur ist in der Mitte der Bühne als Leuchtschrift zu lesen – und er ist natürlich das Motto des ganzen Stücks. Bezaubernd, reizend oder charmant ist dieser laute Abend freilich in keiner Minute. Der Feenzauber bleibt in der Musik, die zumindest instrumental sehr stimmig und geschmackvoll erklingt. Der Barock-Spezialist Christian Curnyn mit dem wie eine Big Band in stimmigen Kostümen auf der Mitte der Drehbühne (Susanne Gschwender) postierten Staatsorchester sorgt für ein luftiges und erlesen phrasiertes Spiel. Leider wird der Klang durch technische Verstärkung ab und an etwas verfremdet. Der Chor in der Einstudierung von Johannes Knecht überzeugt durch Beweglichkeit und schlanke Tongebung. Am besten singen Arnaud Richard als Hymen mit klangschönem, kultiviertem Bariton und Mark Milhofer als Geheimnis mit hellem und sicher geführtem hohen Tenor. Die jungen Sängerinnen haben mit dem Ton der Barockmusik dagegen ihre Mühe. Im Schauspielensemble setzen Susanne Böwe als Titania und Michael Stiller als Oberon prägende Akzente. Wie fast immer ist Puck der Star. Maja Beckmann gibt ihn mit Pfiff und vielen komödiantischen Facetten. Termine —Die Aufführungen am 5., 7., 11., 13., 19. und 22. Februar sind ausverkauft, Restkarten gibt es eventuell an der Abendkasse. —Kontakt: www.oper-stuttgart.de

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