Kaiserslautern Kaleidoskop ohne Mätzchen

Von Beginn an gingen die Protagonisten in die Vollen: Stephan Flesch (vorne) genauso wie das Jazztrio, hier im Bild Stefan Engel
Von Beginn an gingen die Protagonisten in die Vollen: Stephan Flesch (vorne) genauso wie das Jazztrio, hier im Bild Stefan Engelmann am Kontrabass und Michael Lakatos am Schlagzeug.

Stephan Flesch gastierte am Freitagabend bei der 60. Ausgabe der Jazzbühne, und er erwies sich als Garant für Gänsehaut-Momente. Mit seiner gewaltigen Stimme zog er mehr als 200 Besucher in seinen Bann. Jazzpuristen allerdings zogen die Stirn in Falten: Ein Pop-, Rock- und Soulsänger trifft auf ein Jazztrio. Kann das gut gehen?

Das Jazztrio ist eine Musizierform, bei der Netze und doppelte Böden nahezu unmöglich sind: Für die Fans dieses Genres fängt da eben das Abenteuer des Nachlauschens an. Für die Drei von der Jazzbühne, Martin Preiser (Klavier), Stefan Engelmann (Bass) und Michael Lakatos (Schlagzeug) ist das auf der Bühne immer wieder eine Herausforderung. Michael Lakatos fordert, zwingt, vertraut, stört, integriert – und Engelmann und Preiser reagieren mit breiten Einsprüchen, filigranen, verzaubernden Notaten, herrlichen Duftmarken oder mit einem gespenstergleichen Huschen durch die Kulissen. Die Jazzbühne ist einfach ein hochspannendes Kaleidoskop ohne Moden, Mätzchen und Marotten. Zu diesem hoch sensiblen Trio gesellte sich nun Stephan Flesch mit einer Kraft der vokalen Entfaltung, die Ihresgleichen sucht. Seine Stimme ist ein ungemein expressives Instrument und imponierend wie das Schwellen von Muskeln bei einem Bodybuilder. Songs wie „Fragile“ von Sting, „Groovin`“ von Paul Carrack, Adeles „When We Were Young“ oder Marvin Gays „What`s Going On“ intonierte er mit gewaltigem, gestautem Atemdruck. Gewiss, eine so schwere Pop- und Rockstimme kann schwerlich flexibel geführt werden. Aber sie muss gleichwohl eine dynamische Skala haben. Bei seiner Band hat Flesch unglaublich dynamische Bläser und ein donnerndes Schlagzeug im Rücken, da kann und darf er sich austoben. Hier aber mangelte es ihm an einer gewissen Sensibilität und Einfühlungsvermögen. Zu sehr sang er sich in den Vordergrund. Dennoch gab es durchaus überragende und überrumpelnde Momente. Beim Eröffnungs-Song „Spain“ von Chick Corea faszinierte die „Stimme Kaiserslauterns“ mit einem zungenakrobatischen Scat, dass Zunge und Gaumen nur so ratterten. Da war nichts mit Abtasten. Von Beginn an gingen alle Protagonisten in die Vollen. In „Loveley Day“ von Bill Withers sang Flesch mit großer Intensität und schier unendlich langem Atem, wobei seine Stimme einen bemerkenswerten Umfang zeigte. Überhaupt waren die jazzigen Nummern des Abends, wie „Lady is a Trump“ von Frank Sinatra, „Feel Like Making Love“ von George Benson oder „Englishman in New York“ von Sting die Glanznummern des Abends. Da zeigte Flesch, dass er durchaus auch Jazz singen kann, und riss das Publikum mit. Das waren aber leider zu wenige Titel. Von solchem swingenden Jazz hätte man sich mehr gewünscht. In Glanzform zeigten sich wieder die Musiker der Jazzbühne. Auf dem Flügel entwickelte Martin Preiser ein hochartistisches Feuerwerk und erschloss dabei fast unerschöpfliche Quellen der Improvisation durch seine Auszierungstechnik. Mit nachtwandlerischer Sicherheit hielt Stefan Engelmann all die vielen verschiedenen Linien und Tendenzen, die sich in der Musik seines Ensembles bildeten, zusammen und zeigte dabei die Fähigkeit, seinen Kontrabass mit abgrundtief dunkler Resonanz klingen zu lassen. Als äußerst diffiziler Drummer zeigte sich wieder Michael Lakatos. Er ist ein Meister sensitiver, feinmaschiger Rhythmen mit einer Vielfalt von Farben und rhythmischen Bewegungen. Das Publikum war begeistert und bekam mit „Purple Rain“ eine wunderbare Zugabe.

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