Kaiserslautern „Müsste man einen Dom bauen, würde es viel Geld und Arbeit kosten“

Goldene Palme für die Ausstattung in Emir Kusturikas „Underground“, großes Echo für die Kulisse von Frank Castorfs „Ring“-Inszenierung und 2014 die Kür zum Bühnenbildner des Jahres durch eine Kritiker-Jury: Der Serbe Aleksandar Denic ist ein Großer seines Fachs. Im Sommer baut er für die Nibelungenfestspiele vorm Wormser Dom. Mit Sonja Weiher hat Denic über seine Arbeit gesprochen.

Sind Ihre zahlreichen Auszeichnungen für Sie eher eine Bürde, wenn Sie eine neue Arbeit anfangen?

Ich will immer das Maximum. Mir ist es völlig egal, ob ein Projekt groß oder klein ist, ich sammle keine Medaillen. Sind die Nibelungen-Festspiele ein kleines oder ein großes Projekt? Auf keinen Fall ein kleines Projekt. Worms ist nicht Berlin oder München. Mir ist wichtig, meine Idee umsetzen zu können, ganz egal wo. Können Sie das? Sonst säße ich nicht hier. Ich mache keine Kompromisse. Sehen Sie sich als Bühnenbildner eher als Künstler oder als Handwerker? Man braucht handwerkliches Wissen, sicher ist es auch eine Kunst. Aber ich bin nur ein ganz normaler Mann. Wie weit sind denn Ihre Pläne für das Wormser Bühnenbild? Die Grundzüge stehen. Vor einiger Zeit war ich zum ersten Mal hier, um alles zu vermessen. Grundlage ist der Text von Albert Ostermaier. Meine Bühne soll Liebe und Vorbehalte zwischen Ost und West darstellen. Wir alle sind Teil dieses Spiels, manchmal liebt man sich, manchmal herrscht Kalter Krieg, manchmal Hass – wie zwischen Burgund und Hunnen. Der Konflikt zwischen Ost und West, ist das etwas, dass Sie aus Ihrer eigenen Biografie, aus ihrem Alltag in Belgrad kennen? Ich komme aus einem Land, das früher Jugoslawien hieß und von Kräften von innen und außen zerstört wurde. Belgrad war eine Brücke zwischen Ost und West. Manchmal funktioniert die Brücke, trotzdem ist stets offensichtlich, dass es zwei Seiten gibt. Aber ohne Polarität würde nichts passieren. Manchmal ist das schmerzhaft, wie in der Liebe auch. Bei den Nibelungen führt es dazu, dass am Ende alle tot sind. Das ist die Schande. Vorurteile, Ablehnung, Hass scheinen Teil unserer Natur zu sein. Der Konflikt zwischen Ost und West beschränkt sich ja nicht auf Länder, er steckt in jedem von uns. Gespielt wird vorm Wormser Dom. Wie gehen Sie damit um? Müsste man etwas wie den Dom aufbauen, würde das viel Geld und Arbeit kosten – und man könnte doch nur einige Meter erreichen. Wir haben das Glück, dass diese Kathedrale mit ihrer schönen Farbe und Struktur schon da ist. Damit ist jede Form von Gebäude auf der Bühne überflüssig. So kam ich darauf, zwei bewegliche Belagerungstürme zu entwerfen, wie sie im Mittelalter zum Angriff auf eine Burg genutzt wurden. In den Türmen soll sich das komplette Leben abspielen. Jeder Turm ist mit Attributen ausgestattet, die für Ost und West stehen. Welche sind das? Ich meine das nicht politisch, sondern viel umfassender: Kunst und Alltagsleben, Essen und Gerüche. Ein Turm wird eher byzantinisch, osmanisch sein, mit dunklem Holz, der andere ein Mix aus Gotik und Romanik, nordisch hell gehalten. In allen Details soll der Gegensatz Ost-West deutlich werden. Was ist anders, wenn man die Bühne für ein Freilufttheater baut? Für mich gibt es kein Besser oder Schlechter, genauso wie ich für Filme und fürs Theater arbeite. Ich versuche immer, scheinbare Nachteile als Stärke zu nutzen. Normalerweise ist das Theater eine Blackbox, mit Licht erschaffen wir Sonnenaufgang und -untergang. Draußen ist das alles bereits da, man muss sich nur anpassen. Ich liebe es, im Hellen zu beginnen und dann in die Nacht zu spielen. Kannten Sie Worms vor Ihrem Engagement für die Festspiele? Nein. Aber ich erzähle meinen Studenten in Belgrad natürlich vom Wormser Dom. Ich glaube, er kam sogar bei meiner eigenen Architekturgeschichtsprüfung vor. Und dann standen Sie selbst davor. Erst bin ich natürlich um den Dom herumgelaufen, aber ich wollte auch hineingehen. Dabei habe ich viele Details fotografiert, ohne genau zu wissen, wofür. Selbst wenn ich es nicht direkt kopiere, war es doch sehr inspirierend. Mit Regisseur Thomas Schadt arbeiten Sie erstmals. Was verbindet Sie? Das Bindeglied zwischen uns ist der Film. Im Gespräch darüber haben wir uns angenähert. Gehören zur Inszenierung Film-Einspielungen? Nein. Nur Theater, ganz klassisch, keine Videos. Gibt es schon ein Modell der Bühne? Es gibt eine Zeichnung. Aber wir wollen nicht alles verraten. Wo werden die Riesentürme gebaut? Im Moment werden sie in den Filmstudios Hamburg entwickelt, dort werden sie zum Teil auch gebaut. Sie sind bekannt für große, magische Bühnenbilder mit vielen Details. Ich erzeuge gerne eine Illusion des Vertrauten. Erst auf den zweiten und dritten Blick zeigt sich, dass die Struktur sehr komplex ist, dass irgendetwas daran nicht stimmt. Wenn man darüber grübelt, gefällt mir das.

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