Kaiserslautern Schrille Schreie in der Traumwelt

Exotisch, wild und laut ging es am Sonntagabend im Irish House zu. Dort stieg die zweite Auflage des „Willkommen-im-Dschungel-Musikfestivals“. Passend zu diesem Namen tanzten Bands der Region, dem Ruhrgebiet und Frankreich mit jeweils ganz eigenen abenteuerlichen Klängen aus der Reihe.

Ein Keyboard und ein Launchpad, ab und zu ein paar sanfte Akkorde auf der E-Gitarre, mehr braucht es nicht, um die Zuschauer in eine Traumwelt zu entführen. Das beweist das Duo Floating Arms aus Metz. Sebastian Boess (Gesang, E-Gitarre, Keyboard) und Julien Rueff (E-Gitarre, Launchpad) entlocken ihren Instrumenten futuristische Deep-House- und Electro-Töne – leicht und verträumt, aber dank den kurzen, basslastigen Tech-House-Sequenzen gerade noch tanzbar. Sie nehmen der E-Gitarre die rockige Ausstrahlung und setzen sie in einen neuen Kontext. Locker und entspannend. Auch Boess’ Gesang fügt sich ins Konzept – sofern man ihn noch als solchen bezeichnen kann. Nicht gerade melodisch, nicht sonderlich taktbedacht, aber auffällig unaufdringlich bereichert er die psychedelische Atmosphäre aus der zweiten Reihe. Das Fusionsexperiment, die Kombination bewährter mit neuen Klangerzeugern, steht hier eindeutig im Vordergrund. Mit mehr Energie, aber weniger Leidenschaft beleben Avale die Bühne. Wie Floating Arms, ist das Duo Christelle Cavaleri (E-Gitarre, Gesang) und Cecile Schneider (Schlagzeug, Rasseln, Gesang) aus Metz angereist. Ihr Auftreten: düster. Ihre Musik: reine Aggression. Auf ewig lange Intros aus der Alternative-Ecke folgen schrille Schreie. Unharmonisch und schräg. Lange Stücke, zu laut und zu eintönig. Mit Gewalt und Fingerspitzengefühl zugleich bedient Schneider das Schlagzeug, doch dem Gesamtauftritt fehlt es an Kreativität. Diese hingegen beweist die Gruppe Wenn Einer Lügt Dann Wir. In Dortmund haben sich Johanna Knoblauch (Gesang, Gitarre) und Melissa Pfeiffer (Schlagzeug, Keyboard) zu einem Popduo zusammengefunden. Geballte Selbstironie, die sich in jeder Facette ihrer Darbietung bemerkbar macht. Wo sie nur können, provozieren sie. Bewusst unprofessionell spielen sie ihre kurzen Stücke. Die Liedtexte stechen dabei besonders hervor. Statt hochtrabender Lyrik gibt es Wortspiele mit Witz, statt Herzschmerz wird das Baby vom Nirvana-Cover thematisiert. Sie lassen die Grenze zwischen Konzert und Stand-up-Comedy verschwimmen. Dass Knoblauchs klare Stimme auch zu tiefgründigen Balladen passen würde, geht dabei fast unter. Ebenfalls zu zweit unterwegs sind A Futuristic Aid. Die Gruppe um Andreas Becker (Gitarre, Gesang) und Christian Schmuck (Schlagzeug) interpretiert das Genre Alternative neu. Auch sie stellen den Gesang hintan, übertönen lieber mit repetitiven Gitarrenriffs. Vom Laptop kommen synthetische Beats und Hall dazu. A Futuristic Aid schaffen somit akustische Illusionen, verschmelzen Live-Musik mit Vorproduziertem. Eine Verbindung, die zuerst gewöhnungsbedürftig erscheint, doch schrittweise aufregender wird. Was live ist und was nicht, lässt sich immer schwieriger erkennen. So verlässt Becker die Bühne, doch der Gesang läuft weiter. Ob professionell oder improvisiert, jede der Gruppen polarisiert auf ihre Weise. Individualität steht im Fokus. Das zeigen auch die Surfing Horses aus Kaiserslautern und Kramsky aus Trier. Besonders aber Amour Vache. Gereon Basso (Gesang, Schlagzeug), Tom Jeske (Gesang, Gitarre) und William Klein (Bass) liefern Alternative Rock mit Punk-Einflüssen. Spannend anzuhören, doch für die Gruppe nicht genug. Deshalb setzen sie auf Optik, auf Fang-Yu Shen. Wie in Trance verrenkt die Tänzerin sich in dem Nebel auf der Bühne. Trägt dabei Luftballons, Strobolichter, Decken und Taschenlampen mit sich herum. Sie formt unruhige Effekte, einem Gewitter gleich. Wild und auffällig, eben wie im Dschungel.

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