Kaiserslautern Sternstunde mit allen Nuancen

Jeder Ton voller Gefühl: Jutta Brandl in der Fruchthalle.
Jeder Ton voller Gefühl: Jutta Brandl in der Fruchthalle.

Bei der 61. Ausgabe der Jazzbühne ging dem Jazzfan das Herz auf. „Jazzbühne meets Vocal“ mit einer der besten Jazzsängerinnen Deutschlands, Jutta Brandl, hatte alle Merkmale des Außergewöhnlichen in sich vereint und war mithin das, was uns Kritiker veranlasst, von einer Sternstunde zu sprechen.

Es ist die Freiheit, die Musik im Augenblick entstehen zu lassen, so dass jedes Stück immer wieder anders, immer wieder neu klingt. Die Kommunikation unter den Musikern und die Spontaneität sind das Fesselnde. Wenn man spürt, wie die Musiker den Puls fühlen und das Stück zu grooven beginnt, dann ist das wie fliegen. Mitfliegen konnte der Zuhörer schon beim ersten Titel „I thought about you“. Da wurde von Anfang an die hohe Schule der Improvisation von allen Beteiligten souverän gehalten. Auf Klavier (Martin Preiser), Bass (Stefan Engelmann) und Schlagzeug (Michael Lakatos) wurden eloquente Spannungsbögen aufgebaut, die oft in intensive Dialoge mündeten. Resultat: Spielfreude pur. Da stimmte die Chemie schon bis ins Detail. Dichte, beinahe schwebende Sounds bildeten hier den Rahmen für die intensive Jazzstimme Jutta Brandls. Schon mit dem ersten Ton beeindruckte die ehemalige Lautrerin, die heute in Schifferstadt zuhause ist, dermaßen, dass man die berühmte Stecknadel fallen hören konnte. Ihr dynamisches und agogisches Differenzierungsvermögen wie auch die elastische Intonation waren bestechend. Sie sang mal zart, gar zerbrechlich, mal herb, relaxed und gespannt, direkt und distanziert, lebenslustig und resigniert. Ihre Interpretationen waren gespickt mit atmosphärischen Wechselbädern und Stimmungsumschwüngen, mit explodierenden Rhythmuswechseln und plötzlichen Tempo-Variationen. Und doch wurde alles getragen von der Souveränität einer erfahrenen Sängerin, die das Beste des weiblichen Jazzgesangs in eine ganz und gar eigenständige Sprache überführt. Schier unschlagbar ist Jutta Brandl im Scat Vocal, einer Technik des Jazzgesangs, bei der Silben ohne Wortbedeutung lautmalerisch eingesetzt werden. Ihre Stimme wurde zum Instrument, phrasierte wie ein Saxophon oder eine Trompete. Da ratterten Zunge und Lippen wie eine Nähmaschine vom tiefen Alt bis zum höchsten Falsett, wie in dem Blues „Centerpiece“ oder „All the things you are“, als ob sie über ein Dutzend Stimmen verfüge. Aber auch in der Balladen-Interpretation oder bei populären Songs blieb die Sängerin dem Jazz verpflichtet. Ihre warme Stimme führte sie in makelloser Intonation souverän durch alle Register ihres großen Spektrums, wechselte innerhalb einer Phrase nahtlos die Schattierungen und swingte dabei völlig natürlich. Exemplarische Stücke für zungenakrobatischen Scatgesang waren „Triste“ und „One Note Samba“ von Carlos Jobim. Von solch mitreißenden Titeln hätte man sich mehr gewünscht. Insgesamt war das Programm zu balladenlastig. Sowohl die Sängerin als auch ihre Begleiter gingen gerade bei Balladen wie „Leaving“ von Ritchy Beirach oder „Summer Knows“ von Michel Legrand höchst sensibel vor. Das war ein sanftes Austarieren, freie Elemente eingefangen mit Wärme und der Kraft der Stimme. Da wurde Martin Preiser am Klavier zum Langstreckenläufer, dessen musikalische Gedanken kaum zu bändigen waren. Sein Spiel besaß eine Erdung und einen federnden Umgang mit Arabesken, die aus sich heraus leuchteten. Kaum zu bändigen war auch Stefan Engelmann, der auf seinem normalerweise so schwerfälligen Instrument groovte wie ein Gitarrist und dabei den Bass richtig satt, in abgrundtiefer Resonanz klingen ließ. Michael Lakatos war der Fels in der Brandung und hielt mit seinem feinnervigen, subtilen Spiel und großem Gespür für differenzierte Becken- und Blechklänge alles zusammen. Mit begeistertem, skandierendem Applaus erhielt das Publikum eine Zugabe.

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