Kaiserslautern Triumphfahrt durch Kaiserslautern

Protest gegen Industrialisierung: Droschkenkutscher Gustav Hartmann reiste mit dem Pferdewagen von Berlin nach Paris. Auf der Rü
Protest gegen Industrialisierung: Droschkenkutscher Gustav Hartmann reiste mit dem Pferdewagen von Berlin nach Paris. Auf der Rückfahrt machte er auch in Kaiserslautern halt.

Noch heute ist der Droschkenkutscher Gustav Hartmann als „Eiserner Gustav“ vor allem den Berlinern ein Begriff. Mit seiner legendären Kutschfahrt von Berlin nach Paris erregte der damals 68-Jährige großes Aufsehen. Auch in Kaiserslautern machte er, am 4. Juli 1928, einen Abstecher.

Vermutlich wäre seine Fahrt längst in Vergessenheit geraten, gäbe es nicht einen Roman von Hans Fallada und vor allem auch die Verfilmungen mit Heinz Rühmann (1958) und eine ARD-Serie mit Gustav Knuth (1979) in der Titelrolle. Während bei allen Veröffentlichungen die Hinfahrt ausführlich geschildert wird, wird die Rückreise recht stiefmütterlich behandelt. Dabei ging der Jubel vieler Tausender auch an der Retourstrecke unvermindert weiter. So, wie genau heute vor 90 Jahren in Kaiserslautern und Landstuhl. 1928: 42 Jahre nach der Geburtsstunde des Automobils, nahm dieses neue Fortbewegungsmittel auf den Straßen immer mehr zu. Daimler, Renault, Opel und Fiat bauten schon vor der Jahrhundertwende die ersten Autos, weitere Firmengründungen folgten zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Dem amerikanischen Piloten Charles Lindbergh gelang im Mai 1927 die erste Nonstop-Alleinüberquerung des Atlantiks und die Reichsbahn nahm im Februar 1928 den Betrieb elektrischer Schnellzüge auf. Schneller, höher, weiter waren die Gebote der Zeit. Für die Besitzer von Pferdedroschken keine rosigen Aussichten. Gustav Hartmann, seit 1885 Fuhrunternehmer in Berlin, war einer von ihnen. Tag für Tag stand er von morgens früh bis spät in die Nacht mit seiner Kutsche am Bahnhof Wannsee und erlebte, wie das Auto das Pferd von den Straßen verdrängte. Mehrere Gründe werden in den Aufzeichnungen über seine Fahrt mit nur einer Pferdestärke von Berlin nach Paris dafür aufgezählt, in jedem Falle aber wollte Hartmann sich beweisen, wollte aller Welt zeigen, dass altes Eisen noch etwas taugt und gegen den Untergang seiner Branche demonstrieren. Da er selbst nicht so gut lesen und schreiben konnte, bat er den Ullstein-Verlag um Unterstützung. Der stellte ihm mit Hans Hermann Theobald einen Reporter zur Seite, der etappenweise mitfuhr, darüber berichtete, aber auch finanziell half. Die Reise begann am 2. April 1928. Hartmanns Ziel war es, am 4. Juni, seinem 69. Geburtstag, mit seiner Droschke 120 in der französischen Hauptstadt anzukommen. Gezogen wurde die Kutsche von Grasmus, einem 13-jährigen Fuchswallach. Theobalds Reiseberichte machten Hartmann schnell bekannt. Im Nu wurde seine Reise nach Paris zu einer wahren Triumphfahrt. Am 29. April erreichte er Dortmund. Rund 200.000 Menschen säumten die Straßen. Theobald schildert es in seinem Bericht so: Im überfüllten Saal der Dortmunder Westfalenhalle „sagte der neben mir sitzende Eiserne Gustav: ,Wenn se morgen nach Berlin zurückfahren, denn bringen se doch die vielen scheenen Blumen, die mir die Dortmunder jeschenkt haben, meiner Ollen in Wannsee mit. Die jlobt sonst nich, det ick berühmt jeworden bin’“. Weiter ging die Fahrt. Theobald schreibt: „Eine unaufhörliche Kette der Begrüßungen, Ehrungen, Festlichkeiten schloss sich an.“ Natürlich ebenfalls in Paris, das er planmäßig erreichte. Auch auf dem Rückweg durch die Pfalz huldigten ihm die Menschen. Wurde er schon in Landstuhl groß empfangen, bereiteten ihm die Kaiserslauterer einen noch größeren Bahnhof. „Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus“, schrieb die „Pfälzische Presse“ am 5. Juli. „Das große Ereignis war gestern der ,Eiserne Gustav’, die Schatten, das war eine Menschenmenge, die die Pariser Straße säumte, am Fackelrondell sich staute und sich durch die Fruchthallstraße zum Schillerplatz hinzog, wo ein starkes Schutzmannsaufgebot den Empfang regeln musste.“ Mit Musikbegleitung hatte er Einzug in die Barbarossastadt gehalten und gravitätisch soll er auf dem Bock gesessen, mit froh-ernster Miene das ihn ungläubig anstarrende und staunende Volk begrüßt haben. Am Hotel Droste, „wo ihm des Wirtes Töchterlein einen Blumenstrauß überreichte und ihm ein großes Glas Pfälzer Weines überreicht wurde, da brach der Jubel los. Er versuchte, auch eine Ansprache zu halten, aber im Beifallsgetöse der Menge ging sie unter“, ist der Pfälzer Presse zu entnehmen. „Erst langsam, nachdem Gustav seinen Wagen in die Marhoffersche Brauerei dirigiert hatte, verlief sich die frohgelaunte Menge“, schrieb die Pfälzische Volkszeitung. „Über seinen Besuch in Kaiserslautern wird er sich sicher nicht beklagen können“, resümiert der Berichterstatter.

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