Kreis Germersheim Barrierefreier Radweg: Kreis zieht Reißleine

Die Strecke würde teilweise über Wirtschaftswege führen. Auch sie müssten saniert und barrierefrei ausgebaut werden.
Die Strecke würde teilweise über Wirtschaftswege führen. Auch sie müssten saniert und barrierefrei ausgebaut werden.

Der barrierefreie Radweg sollte 50 Kilometer durch den Landkreis führen und ein Aushängeschild für die Region werden. Nun hat der Kreis das Projekt vorerst an den Nagel gehängt. Am Geld lag es nicht.

Die „Rhein- und Römerschleife“, so war der Radweg prestigeträchtig betitelt, sollte für beeinträchtigte und ältere Menschen genauso gut abzufahren sein wie für Familien mit kleinen Kindern. Das war die Idee, für die der Kreis im Juni 2021 grünes Licht gegeben hatte. Es sollten keine neuen Wege geschaffen, sondern vorhandene barrierefrei saniert sowie Rastplätze angelegt und öffentliche Toiletten ausgebessert werden. Unbefestigte Waldwege etwa fielen von vorneherein aus dem Raster.

Rund 500.000 Euro sollte das Ganze kosten und zu 85 Prozent aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) finanziert werden. Die Anteile, die die Gemeinden tragen sollten, waren überschaubar. Die Schleife sollte von Germersheim über Hördt, Rülzheim, Rheinzabern, Jockgrim, Neupotz und Leimersheim zurück in die Festungsstadt führen. Der Radweg war Teil des Landes-Modellprojektes „Tourismus für alle“, Träger war der Kreis. Im April 2022 sagte das Land zu, dass der genannte Fördertopf angezapft werden könne. Bis Dezember 2023 hätte das Projekt umgesetzt und abgerechnet sein müssen. Eben an dieser Frist ist es nun gescheitert. Die Zeit hat nicht gereicht.

50 Kilometer barrierefreier Radstrecke durch den Kreis Germersheim – das war der Plan.
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Projektabbruch: Keine andere Wahl

Land lehnt Verlängerung ab

Die Kreisverwaltung sieht das Versäumnis nicht bei sich. Vom Land zugesagte Planungssoftware habe gefehlt, ebenso wie Angebote von Firmen und Planern. Die Planungsleistungen für die Bauarbeiten etwa konnten erst nach der dritten Ausschreibung mangels Angeboten vergeben werden. Der Zeitverzug summierte sich: Die Produktion der Wegweiser sowie die Tief- und Hochbauarbeiten konnten erst im Juli 2023 ausgeschrieben, sprich Angebote dafür eingeholt werden. Das einzige Angebot im Tiefbau-Bereich musste dann auch noch wegen eines „unheilbaren“ Fehlers ausgeschlossen werden. Eine Verlängerung der Förderfrist – es wäre die zweite gewesen – habe das rheinland-pfälzische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau abgelehnt.

Aufgrund der „Vielzahl an Baumaßnahmen entlang der gesamten Wegstrecke, langer Lieferzeiten von Material und der nicht vorhersehbaren Witterungsverhältnisse im Herbst/Winter“ erschien es den Fachleuten „unrealistisch“, dass das Projekt bis Dezember umgesetzt sein würde, schreibt die Kreisverwaltung. Weshalb die Fördermittel nicht ausgezahlt worden wären. „Dies hätte zur Folge, dass die kompletten Baukosten von rund 500.000 Euro von den Projektbeteiligten getragen werden müssten. Diese Mittel sind in den kommunalen Haushalten nicht verfügbar“, so der Kreis.

Jockgrim will keine Eigenregie

Jetzt werden andere Fördergelder mit längeren Fristen gesucht, um den barrierefreien Radweg an den Start zu bringen. Immerhin knapp 53.000 Euro sind bereits in die Planung geflossen und das Projekt sei „realisierungsreif“. Der Kreis will die Trägerschaft behalten und prüft andere Förderprogramme. Er schlägt außerdem vor, dass die Bauarbeiten an Wegen und Rastplätzen die einzelnen Kommunen umsetzen. Fördermittel, die die Gemeinden dafür abrufen könnten – etwa über das Leader-Programm – gibt es durchaus. Nur: An den Kommunen blieben wohl höhere Kosten hängen. Das zeigt eine Rechnung, die im Ortsgemeinderat Jockgrim vorgestellt wurde: „Gegenüber dem ursprünglich geplanten Förderprogramm würde sich der Zuschuss um zehn Prozent auf 75 Prozent reduzieren“, so die Verwaltung der Verbandsgemeinde. „Wir rechnen mit einem Eigenanteil von circa 100.000 Euro über die drei Kommunen“ – für Jockgrim, Neupotz und Rheinzabern. Es wären überwiegend freiwillige Leistungen, die von der Kommunalaufsicht genehmigt werden müssten – was zumindest bei defizitären Haushalten so gut wie aussichtslos ist.

Alle Anlieger-Gemeinden des Radwegs sollen sich nun positionieren, wie es weitergehen könnte. Die Jockgrimer haben bereits entschieden: Sie wollen das Projekt nicht „in Einzelbausteinen“ fortführen.

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