Kusel Unberührt vom Lärm der Welt

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Der drei Kilometer lange Breitbach zwischen Einöllen und Oberweiler-Tiefenbach gehört nicht zu den großen Gewässern im Kreis Kusel. Aber mit einem kundigen Begleiter kann man während einer zweistündigen Wanderung auch an seinem Lauf einige Entdeckungen machen.

Dieter Jakob aus Einöllen hat sich intensiv mit der Geschichte seines Dorfes beschäftigt und weiß auch über den Breitbach gut Bescheid. Mit ihm und seinem zehnjährigen Sohn Elias beginnen wir die Exkursion an der „Hohen Dohl“, einem neun Meter hohen Damm, auf dem die Straße nach Einöllen über die Niederung des Breitbachs verläuft. Jakob berichtet, dass dieser Damm von einem Mitarbeiter des bayerischen Bezirksamts als unnötig und „monströs“ bezeichnet wurde. Man hätte ihn vermeiden können, wenn man einen etwas anderen Straßenverlauf gewählt hätte. Aber vielleicht war der Damm doch sinnvoll, weil man für ihn den Aushub aus den Durchstichen auf beiden Seiten verwenden konnte. Etwa 300 Meter östlich der Straße entspringt der Breitbach in einer Wiese. Die flache Senke, die er durchquert, war früher einer der beiden Fischweiher, den die Grafen von Veldenz hier aufgestaut hatten. Den Damm unterquert der Bach in einer Röhre und bildet auf der anderen Seite ein ausgeprägtes Tal, das von mannshohen Brombeersträuchern und Brennnesseln gesäumt ist. Wegen des trockenen Sommers führt der Bach bei unserer Begehung kaum Wasser. Nach einigen 100 Metern wird das Tal zu einer etwa zehn Meter tiefen Schlucht, deren Sohle aber breit genug ist, dass man dort gehen kann. Lediglich einige mächtige Weiden und umgestürzte Bäume bilden einzelne Hindernisse. Die Schlucht endet an dem Wendeplatz des Fahrweges, der direkt von Einöllen kommt. Die Gegend hier heißt „Kohlkaut“, erklärt Jakob. Für die Bezeichnung gibt es zwei verschiedene Erklärungen: Vielleicht stellten Köhler hier ihre Holzkohlen her. Aber eher dürfte der Name an den früheren Abbau von Kohle erinnern. Vom Wendeplatz führt auf jeder Seite des Baches ein Weg ins Tal. Wir nehmen den linken, verlassen ihn aber schon bald bei einer Wiese und steigen in die Schlucht hinab. Der Anblick ist überwältigend, denn hier hat der Breitbach einen Wasserfall von mehreren Metern Tiefe geschaffen. In den Felsen, über den das Wasser fließt, ist ein markantes Gesicht mit indianischen Zügen gemeißelt. Es stammt von Hermann Gauch (1899 bis 1978), der aus Einöllen stammt und sich hier als Jugendlicher gerne aufhielt. Gauch studierte Medizin, unterstützte die Separatisten und war später als Mitglied der NSDAP einer der führenden Rassentheoretiker. In seinen Aufzeichnungen, die sein Sohn Sigfrid 2010 publizierte, beschreibt er diesen Teil der Breitbachschlucht als Ort „mit hohen Felsenwänden, Höhlen und Wasserfällen, voll malerischer und reizender Gebilde. Zwei weite Plätze darin lockten mich durch ihre wunderbare Lage besonders an, beide gelegen an Wasserfällen, nur dem Wegekundigen zugänglich. Ich zimmerte dort Tische und Bänke, meißelte versteckte Gemächer in die Felsen und baute Weiher und Brücken.“ In diesem abenteuerlichen Gelände richtete er sich wohnlich ein und traf sich gelegentlich mit Freunden, aber genoss vor allem die Ruhe der Natur. Auch heute wird die Schlucht gerne besucht, denn hier bietet Oberweiler-Tiefenbach im Rahmen des Sommerprogramms der Verbandsgemeinde Klettern für Kinder an. Unterhalb des Wasserfalls überqueren wir den Bach, steigen das steile Ufer hinauf und nehmen jetzt den Weg, der auf der rechten Seite verläuft. Inzwischen sind die lichten Laubbäume am Oberlauf einem dunklen Fichtenwald gewichen. Eine kleine Brücke überquert den „Felsengraben“, der von rechts zum Breitbach fließt. Er hat ebenfalls eine bis zu 20 Meter tiefe Schlucht mit steilen Wänden, Höhlen und Wasserfällen gebildet. Bei starkem Hochwasser entwickelt er genügend Energie, um einige der großen Felsbrocken in Bewegung zu setzen.Kurz bevor wir den Wald verlassen, kommen wir an zwei Fischteichen vorbei, die von dem Bach gespeist werden. Herbert Gerullis, der sie angelegt hat, füttert gerade seine Forellen. Um seinen Bestand zu sichern, hat er Netze über die Teiche gespannt und einen Storch aus Blech aufgestellt. Auf der anderen Seite erhält der Breitbach einen weiteren Zulauf durch den „Geißenborn-Graben“ und den „Langwieser-Graben“, die von links kommen und sich kurz vor der Mündung vereinigen. Der Weg mündet am Ende in die Straße, die zum Bürgerhaus führt. Hier wurde früher am steilen Südhang Wein angebaut. Die ehemaligen Stützmauern sind noch gut zu erkennen, auch ein Weinberghäuschen hat überlebt. Auf dem Gelände hinter dem Bürgerhaus soll im nächsten Jahr eine Freizeitanlage für Senioren und Behinderte entstehen. Die Gemeinde plant die Anlage von Spazier- und Wanderwegen ins Breitbachtal. Der Breitbach setzt nun seinen Weg durch Tiefenbach fort. Vielleicht hieß der Bach früher ebenso und gab dem Dorf seinen Namen. Von der Brücke am Feuerwehrhaus sind es nur noch wenige Meter bis zur Mündung in die Lauter. Dort kennt sich Elias gut aus, weil seine Großmutter in Tiefenbach wohnt. Der Bach ist fast völlig zugewachsen und schließlich ganz ausgetrocknet. Nur direkt an der Lauter erinnert das trockene Bachbett daran, dass gelegentlich Wasser fließt. Der schönste Abschnitt des Breitbachs, die Waldschlucht, hatte es nicht nur Gauch angetan. Der Heimatdichter Friedrich Kappel aus Oberweiler-Tiefenbach (1912 bi 1997) schrieb über den Breitbach ein Gedicht, das er in dem Band „Allerhand vom Königsland“ veröffentlichte. Darin lobt er die „Ruh und stille Einsamkeit“ der Wege am Bach und endet mit dem Vers: „Wie erquickend ist die Stille / im Wiesengrund, im Wald und Feld, / eine ländliche Idylle / noch unberührt vom Lärm der Welt“. Diese Beschreibung gilt auch heute noch.

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