Kusel Zwischen „ganz gut“ und „alles wird komplizierter“

Mehr Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene streben Änderungen in der rheinland-pfälzischen Gemeindeordnung an, die zum 1. Juli wirksam werden. Bei Kommunalpolitikern im Landkreis Kusel stößt die Neuerung, die etwa öffentliche Ausschusssitzungen und die Offenlegung der Haushaltspläne vorsieht, auf Bedenken, aber auch auf Zustimmung.

Als eine „gute Sache“ wertet Kusels Stadtbürgermeisterin Ulrike Nagel, dass Bürger mehr Zugang zu den Beratungen kommunaler Gremien erhalten sollen. Für die Kreisstadt erwartet sie aber keine gravierenden Änderungen. Der Stadtentwicklungsausschuss tage schon bisher öffentlich, sagt Nagel. Dabei sei auch der Zuspruch gut, zumal betroffene Bürger direkt angesprochen würden. Mehr Beteiligung der Bürger an kommunalen Entscheidungen befürwortet Konkens Ortsbürgermeister Fritz Emrich. Dies dürfe jedoch nicht zu einem „imperativen Mandat“ führen, bei dem die Ratsmitglieder an Weisungen gebunden sind. Wenig angetan von den Neuerungen zeigt sich hingegen Stadtbürgermeister Heinrich Steinhauer aus Lauterecken. Neben dem Lauterecker Stadtrat gibt es sechs Ausschüsse, etwa den Haupt-, Finanz- und Steuerausschuss sowie Ausschüsse zur Sanierung, zu Bau, Liegenschaften, Umwelt und Landwirtschaft. Diese Gremien hatten bisher nichtöffentlich getagt, künftig stehen die Sitzungen für Bürger grundsätzlich offen, wenn keine Gründe des Gemeinwohls oder schutzwürdige Interessen Einzelner dagegen sprechen. „Wir reglementieren uns noch kaputt“, kommentiert Bürgermeister Steinhauer die Neuregelungen im Kommunalrecht. Auf die Kommunen komme unnötige Arbeit zu. Bei einer Dienstbesprechung am Dienstagabend seien alle Bürgermeister der Verbandsgemeinde Lauterecken-Wolfstein über die neuen Vorschriften unterrichtet worden, ergänzt Steinhauer. Günter Lüers, erster Beigeordneter Lautereckens, findet, die Neuregelung führe zur „gläsernen Kommunalpolitik“. Er weist darauf hin, dass sich das Interesse der Bürger an den Beratungen des Stadtrats in Grenzen halte. Zwei bis drei Zuhörer kämen zu einer Sitzung. Auch in der Verbandsgemeinde Glan-Münchweiler berieten die Ausschüsse bislang in der Regel unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Standen jedoch abschließende Entscheidungen auf der Tagesordnung der Ausschüsse, waren die Sitzungen öffentlich samt Einladung und Bekanntmachung, wie Verbandsbürgermeister Klaus Schillo erläutert. Er bekennt, durchaus ein Anhänger der direkten Demokratie zu sein: „Dort, wo sie sinnvoll ist und nicht für populistische Zwecke missbraucht wird.“ Es sei schon wichtig, die Bürgerschaft bei kommunalen Angelegenheiten mitzunehmen und die Entscheidungsprozesse transparent zu machen, ist Schillo überzeugt. Der Bürgermeister verhehlt jedoch nicht, dass er nicht mit allen Neuerungen einverstanden sei. Für manche seien die Entscheidungsprozesse „einfach unpraktisch“ und mit viel bürokratischem Aufwand verbunden. Für bedenklich hält er es, dass künftig alle Vorberatungen in den Ausschüssen öffentlich gemacht werden müssten. In diesen Vorberatungen werde mitunter „Tacheles“ geredet und es meldeten sich Ratsmitglieder zu Wort, die nicht so redegewandt seien oder auch nicht unbedingt Lust hätten, sich am nächsten Tag in der Zeitung wiederzufinden. Bei den Bestrebungen, mehr Öffentlichkeit auf kommunaler Ebene zu schaffen, müsse bedacht werden, dass die Ratsmitglieder ehrenamtlich tätig seien, betont Schillo. Kritisch sieht auch der rheinland-pfälzische Städte- und Gemeindebund die Neuregelung. Für die Verwaltung, die Kommunalparlamente, aber auch die betroffenen Bürger werde es oftmals nicht einfacher, sondern komplizierter, sagt Pressesprecherin Agneta Psczolla. Gerade in den vorberatenden Ausschusssitzungen finde erst eine Annäherung an die Themen statt, und es sei nicht immer vorhersehbar, welche Belange diskutiert werden. Wenn bei Grundstücksangelegenheiten etwa Informationen über den Familienstand oder die Finanzsituation von Bürgern relevant werden, sei zum Schutze der Privatsphäre der Betroffenen die Nichtöffentlichkeit schnell herzustellen. Es könne aber auch passieren, dass innerhalb einer Sitzung mehrfach zwischen öffentlicher und nichtöffentlicher Beratung gewechselt werden müsse, argumentiert Psczolla. |rac

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