Kreis Kusel Vom Gefühl her musizieren

„Die Idee, am Ende ein fade out zu machen, ist super. Jetzt noch mal – ich zähle sechs Schläge vor.“ Nach dieser Ansage von Sven Hack stimmten am Dienstagabend in einem freundlichen, hellen Tagungsraum im ersten Stock der Jugendherberge auf Burg Lichtenberg fünf Blechbläser und ein Pianist ihre Improvisation erneut an.

Die Atmosphäre erinnert an einen Jazzkeller. Dann kommt die Rückmeldung des Dozenten: „Das war jetzt aber kein fade out. Ok – dann macht das Schlussthema unisono mit einem schönen Ritardando.“ Jan Wendling, Benedikt Jächle, Joschka Pressler, Felix Wünschel, Lukas Haber und Frederic Andrej proben eine neue Improvisation. Von Montag bis Donnerstag nehmen sie am Jazzcamp auf Burg Lichtenberg teil, zusammen mit 14 weiteren Jugendlichen zwischen 14 und 24 Jahren und zehn Dozenten. „Das Jugendjazzcamp ist eine intensive Lebensphase, in der wir uns aufeinander zu bewegen und miteinander gestalten auf Augenhöhe,“ beschreibt Musiker und Organisator Franz Wosnitza, Präsident der Old Jazz Union, das Jazzcamp, das bereits zum vierten Mal auf Burg Lichtenberg stattfindet. Die Teilnehmer kommen aus allen Teilen von Rheinland-Pfalz, aber auch aus Baden, Franken und vom Bodensee. Einige sind bereits zum zweiten oder dritten Mal in der Pfälzer Burg oder machen hier gleich mit ihren Eltern Urlaub. Dieser Tagungsort ist durch Musikantenlandpreisträger Roland Vanecek zustande gekommen. „Die Motivation für die Gründung eines solchen Camps war mehrschichtig“, erzählt Wosnitza. „Zum einen wollten wir, dass die Musik von Jazz und Blues weitergegeben wird in jüngere Hände. Die Musik muss frisch und lebendig gespielt werden – das funktioniert nicht, wenn nur alte Männer auf der Bühne stehen, dazu braucht es auch die inspirierende Euphorie und Lust der Jugend.“ Außerdem sind Wosnitza der Experimentiercharakter und die Abgrenzung zu akademischen Unterrichtsmodellen wichtig: „Mir wurde nach so vielen Jahren als Musiker bewusst, dass man das Gefühl beim Musizieren in den Vordergrund stellen muss, weniger die Weiterbildung nach Noten. Die Improvisation von der emotionalen Seite her angehen – das ist unser Alleinstellungsmerkmal,“ hebt er die Bedeutung des Jugendjazzcamps hervor. „Wie man sich ohne ein Notenblatt einer Melodie nähert und dann daraus Möglichkeiten des Phrasierens, der Improvisation, der Schaffung einer neuen Melodie entwickelt – das wollen wir musikalisch erlebbar machen, getreu unserem Motto: Am Anfang war der Ton und nicht die Note. Und dafür ist auch das Gemeinschaftserlebnis des lustvollen, kreativen Musizierens mit Herzblut wichtig. Wir wollen nach dieser Woche als Freunde von der Burg gehen, mit der Gewissheit, dass wir uns wiedersehen beim Musizieren und bei Konzerten.“ Ein Lehrbuch für dieses neue Konzept existierte nicht, als Wosnitza und seine Kollegen starteten, doch das gemeinsame Lernen und Musizieren entfaltete seine Eigendynamik. Zum Team gehören neben Wosnitza und Vanecek namhafte Musiker wie Sängerin Elke Diepenbeck, Gitarrist Jörg Teichert, Pianist Matthias Stoffel, Trompeter Ralf „Mosch“ Himmler, Mundharmonikaspieler Albert Koch und Sven Hack mit Klarinette und Saxofon. Sie alle verbinden positive Erfahrungen mit dem Camp: „Musik muss dich ergreifen, muss dich mitnehmen,“ meint Elke Diepenbeck. Und dieses Gefühl kommt auch bei den Jugendlichen an: „Mit den Kumpels gemeinsam Musik machen, macht viel mehr Spaß als am Strand zu liegen“, sagt Benedikt Jächle aus Baden, der Tenor- und Altsaxofon sowie Klavier spielt. „Ja, es ist einfach so geil“, fällt sein Freund Jan Wendling aus dem Hunsrück ein. Er kam zum Jazzcamp, weil sein Bruder bei einem der Dozenten Posaunenunterricht hat. Durch einen Flyer im Musikverein seiner Heimatstadt Hauenstein ist der 15-jährige Felix Wünschel auf das Jazzcamp aufmerksam geworden: „Hier will ich weitere Erfahrungen bei der Klavierimprovisation sammeln, weil ich ja normalerweise in der Big Band meiner Schule Trompete spiele.“

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