Ilbesheim / Limburgerhof 300 Zähne gezogen

Bei den Einsätzen in Sambia hatten sich vorher oft schon lange Schlangen gebildet.
Bei den Einsätzen in Sambia hatten sich vorher oft schon lange Schlangen gebildet.

Anfang Juni sind der Ilbesheimer Zahnarzt Frank Hartmann und vier seiner Mitarbeiterinnen vom Zahnzentrum Limburgerhof nach Sambia gereist. Im südlichen Teil von Afrika zogen sie Zähne, fertigten Prothesen an, legten Füllungen. Oft ohne Strom und Wasser – aber dafür auch mal mit einer Luftpumpe.

„Grenzen ausloten, etwas Sinnvolles tun, aus der Routine ausbrechen.“ Für Frank Hartmann, Zahnarzt im Zahnzentrum Limburgerhof, gibt es viele Gründe, sich in einem Entwicklungsland einzusetzen. „Seit 15 Jahren reisen wir immer wieder in Länder mit teilweise katastrophaler zahnmedizinischer Versorgung. Nach Hilfseinsätzen in Indien, Afrika und Lateinamerika haben wir uns nach sechs Jahren Pause für Sambia entschieden – ein Land, das beim Welthunger-Index Rang 102 von 121 belegt. Ein Land, in dem 60 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze leben und 42 Prozent als ,sehr arm’ eingestuft werden“, begründet Hartmann die Entscheidung. Dazu kommt, dass es nicht einmal ein Dutzend Zahnärzte gibt, die die etwa 16 Millionen Einwohner versorgen. Meistens sind es hochmotivierte „dental therapists“, die eine dreijährige Ausbildung durchlaufen haben, denen es aber oft an medizinischem Material mangelt.

Die Zusammenarbeit erfolgte mit „Zahnärzte ohne Grenzen“ (DWLF). Und sie erforderte ein halbes Jahr Vorbereitung. Von Betrieben in Limburgerhof wurde das Team mit Spenden bedacht. „So haben wir Schmerzmittel, Medikamente und Antibiotika von einer Apotheke erhalten“, berichtet Assistentin Arzu Sahin-Uygun.

Auch das Gepäck musste organisiert werden: „Wir durften zwar doppelt so viel mitnehmen wie gewöhnliche Touristen, aber allein das zahntechnische Material unterzubringen, war eine Herausforderung“, erinnert sich Zahntechnikerin Eva Kreil. Die wahren Herausforderungen sollten allerdings noch kommen. Denn jeden Tag fand das Team andere Arbeitsbedingungen vor. Doch egal, ob in der Siavonga Klinik, der Lusito Clinic oder der Chipepo Sub Station: Morgens wartete bereits eine Schlange von Patienten. Diese hatten mitunter Wege von 30 Kilometern auf sich genommen. Oft zu Fuß.

Häufig waren Kreativität und Improvisationstalent gefragt, vor allem, wenn es heiß war. Wasser fehlte. Oder Strom. Dann verband Fahrer Phiri die Autobatterie mit einem Konverter und versorgte das Behandlungsteam mit Strom. „Gab es keinen Absauger, haben wir mit Wattepellets getupft“, sagt Aikaterini Anastasiou, zahnmedizinische Assistentin. Und das Trocknen eines Zahns vor seiner Füllung erfolgte dann auch mal über eine Luftpumpe. Das schweißte das Team zusammen. Jeder wuchs über sich hinaus, lernte hinzu und erweiterte sein Aufgabengebiet. „Beeindruckt hat die Zahntechnikerin Eva Kreil das klaglose Ertragen von Schmerzen, aber auch die Dankbarkeit der Menschen. „Als Eva eine Prothese angefertigt und eingesetzt hat, haben die Menschen applaudiert“, sagt Ärztin Noémi Outeiro.

Wie viele Füllungen sie und Hartmann gelegt haben, daran erinnert sie sich nicht mehr. „Aber wir haben rund 300 Zähne gezogen.“ „Und wir haben zwei wichtige Worte in der dortigen Regionalsprache gelernt: ,Asama’ für ,Mund auf’ und ,luma’ für ,zu’. Denn nicht alle unserer Patienten sprachen Englisch“, berichtet Arzu Sahin-Uygun. Ihre pinkfarbene Tasche, prall gefüllt mit Spielzeug und Schreibsachen, stand stets im Mittelpunkt, wenn das Team eine Schule besuchte. An die 2500 Zahnbürsten hat sie verteilt.

Abends mussten dann Akkus aufgeladen, Materialien aufgefüllt und Besteck desinfiziert werden, bis alle spätestens um 21 Uhr ins Bett fielen, übervoll von Eindrücken, den stundenlangen Fahrten auf holprigen Pisten und den langen Arbeitstagen. Bis auf eine Ausnahme: Am Geburtstag von Noémi Outeiro. „Unser Organisator vor Ort und Lodgebetreiber Hermann Striedl, ein ehemaliger Berufsmusiker, hat für uns gespielt, und wir haben getanzt“, sagt Arzu Sahin-Uygun.

Zurück, sehen sie nun vieles mit anderen Augen und einem Gefühl der Dankbarkeit. „Die Menschen dort müssen mit so wenig auskommen. Der Unterschied zur europäischen Zivilisation mit all ihrem Überfluss könnte nicht drastischer sein“, resümiert Frank Hartmann. „Mitgenommen habe ich den Vorsatz, vieles hier gelassener zu sehen – gemäß dem oft gehörten Ausspruch ,no rush in Africa – keine Eile in Afrika’.“ Das hätten sie oft zu Eva Kreil gesagt, wenn sie mal wieder „zu“ schnell war, sagt der Zahnarzt und schmunzelt.

Frank Hartmann mit (von links) Arzu Sahin-Uygun, Eva Kreil, Noémi Outeiro, Aikaterini Anastasiou.
Frank Hartmann mit (von links) Arzu Sahin-Uygun, Eva Kreil, Noémi Outeiro, Aikaterini Anastasiou.
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