Kreis Südliche Weinstraße Allerheiligen auf dem Friedhof: „Wer weiß, ob das wirklich meine Asche ist“

Kerzenlicht: der Friedhof in Wollmesheim.
Kerzenlicht: der Friedhof in Wollmesheim. Foto: van

Viele Gräber sind geschmückt, ungezählte Kerzen brennen – auf den Friedhöfen des Landes gedenken am Freitag zu Allerheiligen Familien ihrer Verstorbenen. Was sind das für Orte, die Leben und Tod zusammenbringen? Landauer Friedhofsbesucher haben einiges zu erzählen.

Ein Eichhörnchen huscht über den Weg. Das Laub, das den Dammheimer Friedhofsboden wie eine goldene Decke überzieht, raschelt. Indes weht der Wind weiter Blätter aus den Baumkronen. Schimmernd wirbeln sie im Licht der Herbstsonne, bevor sie sich auf Boden und Gräber legen. Doch das Naturschauspiel gefällt nicht jedem. Warum? Doch zunächst zu dieser Geschichte: Wenn Auguste Rothenburger durch das Tor des Dammheimer Friedhofs geht, ist sie zu Hause. Die ältere Dame, eine waschechte Pfälzerin, lebt schon lange nicht mehr im Ort. Trotzdem kommt sie regelmäßig hierher, um das Grab ihrer verstorbenen Eltern zu besuchen. Für dessen Pflege hat sie im Dorf eine gute Fee gefunden, wie Rothenburger sagt. Die Menschen hier unterstützen sich auf dem Friedhof, der für sie auch ein Stücke Heimat bedeute. „Leute von früher treffe ich dort immer. Man kommt ins Gespräch und erinnert sich gemeinsam an alte Zeiten. Das ist schön“, sagt sie. Eine Frau, die dem Gespräch gelauscht hat, bestätigt: „Wenn man auf den Friedhof geht, weiß man nie, wie lange man dort ist.“ Es sei ein Ort der Begegnung. Ein Ort, an dem man zusammen trauert und auch zusammen lacht.

Seit 27 Jahren besucht sie täglich Grab der Eltern

Rosemarie Ellermann aus Godramstein besucht das Grab ihrer Eltern fast täglich. Und das seit 27 Jahren. „Ich hänge an ihnen. Auch wenn sie tot sind, bleiben sie für mich immer Menschen.“ Sie denke gar nicht daran, sich von dem Grab zu trennen. Auch das Ehepaar Bierenbaum hält ihr Familiengrab auf dem Nußdorfer Friedhof in Ehren. Sogar das Todesjahr 1889 ist in den schwarzen Stein eingelassen. Aber ein Grab zu hegen und zu pflegen ist nicht selbstverständlich. Verwaiste Gräber, auf denen Unkraut wuchert, finden sich überall. „Angehörige, bitte im Büro der Friedhofsverwaltung melden“, steht auf einem gelben Zettel, der auf einer Grabplatte in Queichheim haftet. Grabpflege kostet Zeit, die nicht jeder hat, meinen manche Friedhofsbesucher. Vielleicht leben die Verwandten weit weg, sinniert einer. In Mörlheim beklagt eine Frau, dass die jungen Leute nicht mehr gewohnt seien, auf Friedhöfe zu gehen. Früher sei man als Kind zum Gießen geschickt worden. Heute treffe man dort kaum noch Kinder. „Die Jungen kennen diese Tradition nicht mehr“, beklagt sie. Eine andere Frau gesteht: „Mit dem modernen Kram kann ich nichts anfangen.“ Sie meint die Bestattungskultur, die sich in den vergangenen Jahren gewandelt hat – auch in Landau. Am deutlichsten bekommt man das dort zu spüren, wo Menschen ganz modern ihre letzte Ruhe finden: unter Bäumen in Arzheim und Dammheim oder in Stelen in Queichheim.

Sie bereut, dass ihr Mann eingeäschert wurde

Der Trend geht weiterhin zur Urne. Vergangenes Jahr wurden 108 Landauer in einem Sarg begraben. 494 wurden in einer Urne beigesetzt. „Ich kann verstehen, dass Leute pflegeleichte Gräber wollen. Vor allem die Jungen, die oft weit weg von ihren verstorbenen Verwandten wohnen. Aber für mich ist das nichts“, sagt Willi Zwick aus Wollmesheim. Und fügt hinzu: „Wer weiß, ob das wirklich meine Asche ist.“ Für eine Nußdorferin hat die Einäscherung etwas Endgültiges. „Ich habe meinen Mann im Sarg begraben, so weiß ich, dass er es ist, der da liegt.“ Heike Frey hat ihren Mann hingegen einäschern lassen. Sie bereut es aber inzwischen. „Die Gräber stehen so dicht beieinander, dass man immer irgendwie an die Nachbargräber stößt. Die Friedhofsplaner haben versagt. So wie es ist, ist es respektlos den Trauernden wie den Toten gegenüber.“ In Queichheim weist Klaus Werther auf eine andere Folge der Feuerbestattung hin: „Es gibt auf den Friedhöfen immer mehr Freiflächen.“ Meist blieben unsauber zugeschüttete Löcher übrig, wenn ein Grab weggemacht wird. Unkraut wachse, um das sich niemand kümmere. Das ärgert nicht nur Werther. Ein großes Thema, auf allen Friedhöfen, ist mangelnde Sauberkeit. Viele klagen über das Laub, das zurzeit Wege und Wiesenstücke beinahe verschwinden lässt. „Wenn es geregnet hat, rutscht man darauf aus“, sagt eine Wollmesheimerin. Die Worte ungepflegt, dreckig und wüst hört man auch auf den anderen Friedhöfen. Oft fällt der Satz „Früher war alles besser“. Meist ausgesprochen von älteren Herrschaften, die sich noch gut daran erinnern, wie es war, als jedes Dorf seinen Gemeindearbeiter hatte. „Es sind nicht nur die Blätter. Auch das Gras wird im Sommer lange nicht gemäht“, beanstandet Liane Ehrstein aus Godramstein. „Man bezahlt viel Geld, bekommt aber nichts dafür“, findet ein Arzheimer Witwer.

„Unsere Traditionen und Werte gehen verloren“

270 Euro zahlen die Bürger in Landau für ein Urnengrab in der Erde, wenn es ihnen von der Friedhofsverwaltung zugewiesen wird. 757 Euro betragen die Gebühren für ein traditionelles Grab. Jeweils für 20 Jahre. Möchte man selbst die Stelle wählen, kostet ein Urnengrab 1500 Euro für 30 Jahre. Beim traditionellen Grab liegen die Gebühren zwischen 1800 und 2500 Euro — je nach Lage. „Für mich muss ein Friedhof aussehen wie ein Friedhof: mystisch, wild und nicht wie aus dem Ei gepellt“, erklärt der Queichheimer Tobias Kestner, der den ganzen Rummel um das herabgefallene Laub nicht versteht. „Die Blätter sind genauso Natur wie wir Menschen. Sie gehören einfach dazu“, sagt Dieter Lange, der am Freitag mit der katholischen Kultuskapelle Mörlheim auf dem Dorffriedhof zu Ehren der Verstorbenen spielen wird. Längst sind die Gräber geschmückt, an denen die Familien zusammenfinden werden, um ihrer Lieben zu gedenken. „Leider wird diese Tradition immer mehr von den Gruselmonstern verdrängt, die am Abend vor Allerheiligen durch die Straßen ziehen, um Süßigkeiten zu verlangen“, sagt eine junge Wollmesheimer Mutter. „Unsere eigenen Werte und Traditionen gehen verloren, wenn wir nicht aufpassen.“

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