Kreis Südliche Weinstraße Dudenhöffer: „Integration braucht Zeit“

Helmut Dudenhöffer sitzt während des Interviews mit der RHEINPFALZ im Wohnzimmer seines Hauses in Herxheim. 2015 gründete er die
Helmut Dudenhöffer sitzt während des Interviews mit der RHEINPFALZ im Wohnzimmer seines Hauses in Herxheim. 2015 gründete er die Flüchtlingsinitiative »Herxheim Bunt«, rund 150 Menschen engagieren sich dafür.

Helmut Dudenhöffer, Lehrer, Politiker, Fotograf, den die meisten in seinem Heimatort Herxheim einfach nur „Dudi“ nennen, wird heute 70 Jahre alt. Doch das ist gerade nicht sein Thema. Der Gründer der Flüchtlingsinitiative „Herxheim Bunt“ will über diese Arbeit Bilanz ziehen. Vorab: Sie fällt sehr gemischt aus.

Herr Dudenhöffer, Deutschland redet nicht mehr nur über Flüchtlinge, sondern auch über Dieselfahrverbote und Tempo 130 auf Autobahnen. Bedeutet das eine Normalisierung der Debatte?

Ich habe schon das Gefühl, dass auch andere Themen wieder die Oberhand gewinnen. Dennoch glaube ich, dass dieses Thema, also die Geflüchteten, die Menschen immer noch am stärksten bewegt. Wobei ich schon schockiert war, wie die Diskussion im vergangenen Jahr geführt wurde, mit welcher emotionalen Kälte. Alles wurde reduziert auf Zahlen, nicht mehr auf Menschen. Es ist auch Neid im Spiel, und wenn das der Fall ist, sind wir nicht weit weg von rechtem Gedankengut. Aber warum bewegt das Thema die Menschen so stark? Es geht um Ängste. Leute haben Angst, etwas zu verlieren. Die wird auch gezielt geschürt. Aber Angst ist immer ein schlechter Ratgeber. Und letztlich sind uns durch die Geflüchteten unsere Probleme doch nur stärker bewusst geworden. Beispiele sind bezahlbarer Wohnraum, Bildung, Arbeit. Da unterscheiden sich letztlich die Probleme der Geflüchteten nicht sonderlich von denen vieler Deutscher. Herxheim Bunt“ war eine der Vorreiterinitiativen in Rheinland-Pfalz, die sich um die Erstversorgung von Flüchtlingen gekümmert haben. Wenn Sie zurückblicken: Hat sich das Engagement gelohnt? Wir waren 2015 sehr schnell sehr gut aufgestellt, deswegen hatten wir eine Vorreiterrolle. Damals ging es vielmehr ums Ankommen. Jetzt geht es ums Bleiben, darum, die Leute in Eigenverantwortung zu bringen. Das Engagement hat sich natürlich gelohnt, auch für mich ganz persönlich. Ich habe Leute in Herxheim kennengelernt, die ticken wie ich. Da sind auch Freundschaften entstanden. Wie sind Ihre ganz persönlichen Erfahrungen mit Flüchtlingen? Ich habe natürlich gute und schlechte Erfahrungen gemacht. Die Wahrheit liegt ja bekanntlich in der Mitte. Es gibt einen Afrikaner, der bei Daimler seine Ausbildung macht, es gibt einen Afghanen, der bei einer Baufirma in Landau arbeitet. Er ist wahrscheinlich der beste Maurer dort. Es gibt aber auch Menschen, die mit unserer Kultur nicht zurechtkommen, die auch traumatisiert sind, falsche Vorstellungen hatten. Das war vor allem am Anfang so, als auch noch viele Menschen vom Balkan kamen, die haben hier Urlaub gemacht. Sie sagen, Sie hätten auch schlechte Erfahrungen gemacht. Ist Ihnen ein Erlebnis besonders in Erinnerung geblieben? Es gibt da eine Geschichte, die mich sehr erschüttert hat. Es ging um eine Familie aus Ägypten, die nach Herxheim kam. Ich war im Rathaus, um sie zu begrüßen, das habe ich bei fast allen Geflüchteten gemacht. Man musste ihnen klar machen, dass sie mit anderen Menschen in einer Unterkunft wohnen müssen. Das wollten sie nicht und sind sofort nach Landau zur Ausländerbehörde gefahren, um ein eigenes Haus zu fordern. Das ging natürlich nicht. Sie waren dann total unzufrieden, sehr fordernd. Und weil sie auch vielleicht nicht die richtige Hilfe bekommen haben, von mir, von „Herxheim Bunt“, haben sie mich sogar angezeigt. Mir wurde vorgeworfen, die Frau belästigt zu haben. Als ich das gelesen habe, musste ich erstmal lachen. Aber dann hat es mich doch getroffen. Das gehört eben auch zur Wahrheit. Man muss nur aufpassen, dass man sich nicht an den Negativbeispielen aufhängt. Aber genau diese negativen Beispiele machen manche Menschen natürlich auch wütend. Können Sie das nachvollziehen? Ich kann das auf jeden Fall verstehen. Genau deshalb haben wir auch keine Wahl, ob die Integration gelingt, sie muss gelingen, sonst können wir einpacken. Wir dürfen die Fehler, die uns bei der türkischen Community unterlaufen sind, nicht noch einmal wiederholen. Um den Menschen die Angst nehmen zu können, müssen wir von den Geflüchteten auch etwas einfordern. Ich habe zum Beispiel am Anfang allen arabisch sprechenden Neubürgern ein Büchlein in die Hand gedrückt, in dem unsere Spielregeln, unser Grundgesetz, also die Rechte der Frauen, die Freiheit der Religion, aufgelistet sind – alles auf Arabisch. Ich habe gesagt, lest euch das durch, und wenn ihr das unterschreiben könnt, dann dürft ihr bleiben. Wenn nicht, müsst ihr euch ein anderes Land suchen. Denn diese Spielregeln sind nicht verhandelbar, sie sind das Fundament unserer Gesellschaft. Und das dürfen wir nicht zur Diskussion stellen. Aber wie kann diese Wertevermittlung gelingen? Etwas, was viele Geflüchtete fasziniert, ist die Nächstenliebe, die sie in Deutschland erfahren haben und erfahren. Dadurch entsteht Vertrauen. Und wenn ich dieses Vertrauen habe, kann ich auch das Denken beeinflussen. Man sieht das manchmal an kleinen Dingen, etwa wenn Frauen irgendwann ihr Kopftuch abnehmen. Klar ist: Integration braucht Zeit, auch wenn ich selbst ungeduldig bin. Es ist immer wieder die Rede davon, dass Flüchtlingshelfer Anfeindungen ausgesetzt sind, sich rechtfertigen müssen für ihr Engagement. Mussten Sie sich schon erklären? Ich bin noch nie angegriffen worden. Einmal hat mich ein Typ in einer Kneipe ein bisschen angemacht, er war angetrunken. Ein Bekannter hat mich dann zur Seite geschoben, sich vor mich gestellt und mich verteidigt. Das war eine tolle Erfahrung, dieses Gefühl der Solidarität. Noch mal zurück ins Jahr 2015: Würden Sie mit dem Wissen von heute etwas anders machen, als sie es mit Beginn der Flüchtlingswelle getan haben? Wir sind damals sehr idealistisch an die Sache rangegangen. Wir hatten auch gleich eine Gruppe gebildet, die den Menschen helfen sollte, in Arbeit zu kommen. Ich war überzeugt, das klappt innerhalb eines halben Jahres. Das war natürlich ein Traum, der nicht wahr werden konnte. Teils waren die Leute traumatisiert, teils hing es an der Bildung, teils auch an den bürokratischen Hürden. Das hat uns ernüchtert. Ich würde das heute mit einem realistischeren Blick angehen. Mittlerweile bin ich aber dennoch optimistischer, dass die Flüchtlingsproblematik gelöst und ein gesellschaftlicher Konsens gefunden werden kann, weil die Politik reagiert. Unter folgenden Bedingungen kann das meiner Meinung nach gelingen: Wenn Menschen in Arbeit sind, der deutschen Sprache mächtig sind, einen Integrationskurs gemacht haben, nicht straffällig geworden sind und ihre Herkunft klar ist, kann es eine Befriedung geben. Und für „Herxheim Bunt“ gilt: Wir müssen innovative Projekte entwickeln, die Begegnungen und Austausch ermöglichen. Und das werden wir auch tun.

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