Landau Gefährliche Schüsse in der Neujahrsnacht

91-76005680.jpg

Südpfalz. Das Risiko, in der Neujahrsnacht von einem Flinten- oder Pistolenschuss verletzt zu werden, war vor rund 180 Jahren in der Pfalz groß. Junge Männer machten sich einen Spaß daraus, so das neue Jahr zu begrüßen. Ein Schussverbot 1834 löste das Problem nicht gänzlich.

„Die Neujahrsnacht ist die belebteste des ganzen Jahres. Wenn das Wächterhorn die Mitternachtsstunde verkündet, beginnen die fünf Glocken des Ortes zu läuten, eine Stunde lang. Zu gleicher Zeit donnern Flinten- und Pistolenschüsse los: Überall vor den Häusern schießen die Burschen ,das Neujahr an’, wenn sie nicht von den Gendarmen dabei abgefangen werden.“ Was August Becker im Jahr 1857 in seiner Volkskunde „Die Pfalz und die Pfälzer“ beschrieben hat, stellte nicht nur in Beckers Heimatgemeinde Klingenmünster ein Problem dar, gegen das die Obrigkeit einschritt. Denn der unsachgemäße Umgang mit Schusswaffen beim traditionellen „Anschießen“ des neuen Jahres führte oft zu Verletzungen. So traf etwa Jakob Nicolaus in Klingenmünster während der Neujahrsnacht 1831/32 aus zehn Metern Entfernung ein Schuss Pulver samt Pfropfen aus einer Vorderladerwaffe, der ihn zu Boden warf und ein „heftiges Blutspeien“ verursachte, das erst nach etlichen Tagen wieder kuriert werden konnte. Gravierender waren die Verbrennungen, die Michael Kuhn in der Neujahrsnacht in Oberhofen (heute Pleisweiler-Oberhofen) davontrug. Ein Beutel mit Schießpulver, den er vor der Brust hängen hatte, fing offenbar durch Funkenflug Feuer. In Birkweiler erlitt der Winzer Johannes Siener durch den unsachgemäßen Umgang mit einer Pistole einen Schuss in die rechte Hand, so dass ihm drei Finger und der Handballen abgenommen werden mussten. Nicht besser erging es Johann Nikolaus Geiger aus Kapellen, dem ein mit Schwarzpulver unsachgemäß überladener Karabiner zum Verhängnis wurde: In der Neujahrsnacht 1833/34 abgefeuert, beschädigte der Druck des gezündeten Pulvers nicht nur die Waffe selbst, sondern zerriss auch die Handwurzel und den linken Unterarm des 25-jährigen Schützen, der im Anschluss mehrere Monate lang behandelt werden musste und eine verstümmelte Hand davontrug. Ebenfalls am 1. Januar 1834 verletzte sich der 21 Jahre alte Martin Gast aus Niederotterbach mit einer alten Pistole versehentlich selbst: Ein Schuss löste sich und traf ihn in den Unterschenkel. Die Wunde fesselte ihn in den ersten Monaten des neuen Jahres ans Krankenbett. Angesichts der wiederkehrenden Häufung der Unfälle, die sich nicht nur beim Jahreswechsel, sondern auch bei anderen festlichen Gelegenheiten ereigneten, bei denen traditionell Schüsse abgegeben wurden, erließ die Regierung der Pfalz am 18. Oktober 1834 ein Verbot, das das Schießen „bei Hochzeiten, Kindstaufen, in der Christ- und Neujahrsnacht“ und ähnlichen Anlässen unter Strafe stellte. Trotzdem kam es immer wieder zu Unglücksfällen. „Der Rheinbayer“, eine in den 1830er-Jahren in Speyer erschienene Zeitung, machte dafür insbesondere die lockere Handhabung der gesetzlichen Vorschriften durch die Ortspolizei verantwortlich, da die Zuwiderhandlungen nur äußert selten geahndet wurden. In einzelnen Gemeinden in der Nähe von Landau zogen sich die lautstarken Feierlichkeiten an Silvester 1834 bis weit in den 1. Januar 1835 hinein. „Damit mischte sich das Singen und Schreien von Kindern und halbtrunkenen Erwachsenen, so daß man sich in die Nähe einer offenen Feldschlacht versetzt glaubte“, vermerkte der „Rheinbayer“ und wies darauf hin, dass in vielen Dörfern die Ortsbürgermeister im Hauptberuf Wirte waren und so die Wirtshäuser „mehrere Stunden nach der Polizeistunde den Nachtschwärmern zugänglich waren“. Hier stand das Interesse der Öffentlichkeit hinter dem umsatzorientierten Eigennutz des Ortsvorstandes zurück. Andere Zeitungsmeldungen belegen, dass die regelmäßigen behördlichen Ermahnungen in einzelnen Gemeinden doch auf fruchtbaren Boden fielen. Dem Bürgermeister von Niederhochstadt war das vorbildliche Betragen der örtlichen Jugend in der Neujahrsnacht 1850 immerhin eine öffentliche „Ehrenmeldung“ wert, die in einer der ersten Ausgaben des Landauer „Eilboten“ veröffentlicht wurde. Auch „den Jünglingen von Billigheim“ sowie den „jungen Leuten“ von Bornheim wurde diese Form der öffentlichen Belobigung zuteil: „Der unterzeichnete Bürgermeister und der Adjunkt als Polizei-Commissär beehren sich die erfreuliche Anzeige zu machen, dass sich die Bornheimer jungen Leute in der Neujahrsnacht recht still und brav gehalten haben; auch nicht ein einziger Schuß fiel.“ (lh)

x