Ludwigshafen Amerikanische Aktivitäten

Wenn Heiner Kondschak in der Rolle des über 90-jährigen Protestsängers Pete Seeger dessen Leben Revue passieren lässt, reflektiert der Regisseur Meilensteine der US-amerikanischen Geschichte. Rund 650 begeisterte Zuschauer haben im Theater im Pfalzbau verfolgt, wie sich die 40 Akteure der Gruppe „Theater Lindenhof“ in drei Stunden mit Spiel und Musik vor der 2014 verstorbenen Folklegende verneigten.

Von Arbeitskampf über Kommunistenjagd, Martin Luther King und Vietnamkrieg bis zu Barack Obamas Amtseinführung – Pete Seeger war überall dabei, hat sie alle gekannt. Und doch ist sein Name hierzulande ziemlich unbekannt. Ein Lied aber dürfte jeder von ihm kennen: „Where have all the flowers gone“ von 1945 oder „Guantanamera“ von 1963. Wie ein realer Forrest Gump scheint Seeger nicht nur der Zeitgeschichte, sondern auch der Biographie anderer Musiker als Knotenpunkt zu dienen. Bob Dylan und Seeger kannten sich gut; noch augenscheinlicher sind die Parallelen zu Johnny Cash und seiner Frau June Carter: „Wo geht’s diesmal hin, Toshi?“, fragt der greise Pete (Heiner Kondschak) am Schluss des Stücks seine Ehefrau (Linda Schlepps). Bis dahin wirkt Toshi erstaunlich frisch, doch ihren letzten Koffer kann sie nur noch mit Mühe hinter sich her schleifen. Gebeugt gibt sie ihrem Pete einen Kuss, bevor sie die Bühne des Lebens verlässt. „Wenn du gehst, dann geh ich auch. Was soll ich hier ohne meine Toshi?“, schnappt Pete sich sein Saxophon und folgt ihr nach 70 Jahren Ehe. Sieben Schauspieler gestalten mit dem 24-köpfigen Chor Semiseria aus Tübingen und den Musikern Christian Dähn und Jonathan Gray in wechselnden Rollen einen geschachtelten Rückblick: Der alte Pete stellt sein junges Ich (David Scheib) vor, das 1939 beim Squaredance mit der 17-jährigen Toshi (Mia Biermann) anbandelt. In Spiel und Leinwandprojektion erzählt er ihr, wie seine Eltern im Wilden Westen versuchten, das Volk für klassische Musik zu begeistern und sich letztlich scheiden ließen. Dann offenbart Pete sein Idol, den 1915 hingerichteten Gewerkschaftsaktivisten Joe Hill. „Wegen ihm spiel ich Banjo“, sagt Pete und unterstützt die Minenarbeiter gegen ihre „kapitalistischen Arbeitgeber“. Widerwillig zieht Seeger in den Zweiten Weltkrieg, musiziert mit den Weavers und bekommt mit Toshi drei Kinder (alle gespielt von Kathrin Kestler). Sein Kampf für die Arbeiterklasse rächt sich während der McCarthy-Ära: Derweil in den 50ern die Hexenjagd auf vermeintliche Kommunisten in vollem Gange ist, muss sich der gereifte Seeger (Gerd Plankenhorn) wegen „unamerikanischer Aktivitäten“ verantworten. 1961 wird Seeger zu zehn Jahren Haft verurteilt, kommt nach einem Jahr aber wieder frei. 1955 unterstützt er mit Martin Luther King den Boykott gegen ein Busunternehmen in Montgomery. Mia Biermann spielt die dunkelhäutige Rosa Parks, die man wegen ihrer Hautfarbe ihres Sitzplatzes verweisen wollte. Alsbald verwandeln sich die Chorsänger in bunt bemützte Schulkinder, die auf Petes (Kondschak) Schiff „Clearwater“ einen Ausflug auf dem einst stark verschmutzten Hudson River machen und von ihm erfahren, wie er 1966 die verantwortlichen Firmen zwang, den Fluss zu reinigen. Auch das öffentliche Singen 2012 in Oslo von Seegers Song „My Rainbow Race“ holte Kondschak auf die Bühne: Als „marxistische Propaganda“ hatte der Massenmörder Anders Behring Breivik in seinem Gerichtsprozess das Lied geschmäht, das in Norwegen jedes Kindergartenkind kenne.

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