Ludwigshafen Der Rächer der geschundenen Migranten

„Ich schwöre bei Allah, ich bin Deutscher!“: Muhsin Omurca bei seinem Auftritt in Ludwigshafen.
»Ich schwöre bei Allah, ich bin Deutscher!«: Muhsin Omurca bei seinem Auftritt in Ludwigshafen.

Einst von Dieter Hildebrandt entdeckt, ist Muhsin Omurca einer der Väter des Migrantenkabaretts in Deutschland. Der gebürtige Türke, der seit einem Vierteljahrhundert in Deutschland zu Hause ist, verbindet Comedy mit Cartoons. So auch in seinem aktuellen Programm „Integration à la Ikea“, mit dem er im Dôme des Ludwigshafener Kulturzentrums Das Haus gastiert hat.

Er ist der „Karikatürk“, sagt er, und zeigt Piktogramme, die als Gebrauchsanleitung eine gelingende Integration versprechen. „Plüschtürken“ etwa werden da empfohlen, liebenswerte, kleine Puppen mit Kopftuch beziehungsweise Oberlippenbart, mit denen die deutschen Kinder spielen und kuscheln können, um auf diese Weise die Distanz zu echten Migranten zu überwinden und sich an sie zu gewöhnen. Seine Cartoons ebneten Omurca bereits 1981, im Alter von 22 Jahren, den Weg ins Künstlerleben. Zwölf Jahre zeichnete er für die Südwest-Presse und acht Jahre für die „Süddeutsche Zeitung“. Sein 2002 erschienener Comic „Kanakmän - Tags Deutscher, nachts Türke“ wurde zuvor als Cartoon-Strip in der „taz“ erstveröffentlicht. Der bärtige Türke in blau-rotem Dress verwandelte sich lediglich in seinen Träumen in einen Superman, der sich dazu auserkoren sah, die geschundenen Migranten in Deutschland zu rächen. Anders als man heute vielleicht vermuten könnte, hatten religiöser Fanatismus oder Sprengstoffgürtel in dem Comic nichts zu suchen. Bereits 1985 betrat Omurca auch die Kleinkunstbühne und gründete zusammen mit dem Schriftsteller Sinasi Dikmen Knobi-Bonbon, das erste von Gastarbeitern initiierte deutschsprachige Kabarett überhaupt. Sein erstes Soloprogramm, „Tagebuch eines Skinheads in Istanbul“, spielte Omurca in den 1990er Jahren und verband bereits damals Comedy und Cartoons. In Ludwigshafen blickt er zurück auf seine Anfänge, die Ankunft 1979 in Frankfurt am Main, an die sich sogleich ein langer Intensivkurs „Deutsch für Ausländer“ anschloss. Deutsch zu lernen, sei sehr schwer, stöhnt er noch heute: „Wir Ausländer leiden alle darunter.“ Ihre Sprache sei in einem Maße „ein Durcheinander und ein Flohmarkt“, dass sie im Grunde überhaupt nicht zu den ordnungsliebenden Deutschen passe. Selbst Türkisch habe da mehr Struktur. „Die nächste Sprachreform wird von den Deutschtürken ausgehen“, prophezeite der 59-Jährige glaubhaft. Erste Erfolge zeigten sich nicht mehr nur in dem Berliner Stadtteil Neukölln. Omurca, dessen Vorname Muhsin geschrieben wird, allenfalls Mussin, aber keinesfalls Mushin, wie auf allen Plakaten in Ludwigshafen zu lesen stand, erspürt klug das deutsch-türkische Befinden und hält beiden Kulturen gleichermaßen den Spiegel vor. Er ist dezidiert politisch und zeigt viel Selbstironie, wenn er Klischees und Vorurteile über Deutsche wie Türken gleichermaßen aufruft und unterläuft. Der Karikaturist und Kabarettist ist mittlerweile deutscher Staatsbürger, wie er versichert: „Ich schwöre bei Allah, ich bin Deutscher!“ Immerhin habe er, anders als gebürtige Deutsche, einen Einbürgerungstest bestehen müssen, um diesen Status zu erlangen. Er sei mithin nicht zufällig, sondern ganz bewusst und entschieden ein Bürger dieses Landes. „Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein“, sagt er ganz patriotisch und fürchtet zugleich, nun auch die Last der deutschen Vergangenheit mittragen zu müssen. „Als hätte mir meine türkische nicht gereicht ...“

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