Ludwigshafen Im Geschwindigkeitsrausch bis ins All

Torben Kessler als Phileas Fogg, Anya Fischer als Molly und Jonas Friedrich Leonhardi als Passepartout sitzt ständig die Zeit im
Torben Kessler als Phileas Fogg, Anya Fischer als Molly und Jonas Friedrich Leonhardi als Passepartout sitzt ständig die Zeit im Nacken.

„Schnell, schnell wie die Amerikaner!“ spornt sich der Dorfpostbote auf seinem Fahrrad in Jacques Tatis Komödie „Tatis Schützenfest“ an. Der Film spielt noch zur guten alten gemächlichen Nachkriegszeit im alten Europa. Das Düsseldorfer Schauspielhaus geht in der Zeit noch weiter zurück. Es bringt Jules Vernes Zukunftsroman „In 80 Tagen um die Welt“ auf die Bühne und macht aus ihm einen großen Theaterspaß. Davon konnte sich das belustigte Publikum bei einem Gastspiel im Theater im Pfalzbau überzeugen.

Was zu Vernes Zeit noch geeignet war, Aufsehen zu erregen, mutet heute geradezu lächerlich an. 1870 unternahm ein Amerikaner jene Weltreise, die den französischen Pionier der Science-Fiction-Literatur zu dem Roman inspirierte, der ihn berühmt machte: „In 80 Tagen um die Welt“. Heute braucht ein Passagierflugzeug für eine Weltumrundung etwas mehr als 40 Stunden, die internationale Raumstation ISS sogar nur anderthalb, um den Planeten zu umrunden. In den drei Stunden, die die Aufführung aus Düsseldorf (mit Pause) dauerte, ist die ISS also zweimal um die Erde geflogen. Dafür sind solche Hochgeschwindigkeitsflüge sicher nicht so amüsant und abwechslungsreich wie diese Theatervorstellung. Die Regisseure Leonhard Koppelmann und Peter Jordan haben sich Geschwindigkeitsrausch und Hetze nach Spitzenleistungen, wie sie die Menschheit seit Industrialisierung und Technisierung antreibt, nicht unbedingt zu eigen gemacht. Peter Jordans Textfassung nahm den Roman nur als Raster, ging sehr frei mit ihm um, machte ihn gegenwartskompatibel und versetzte ihn mit ironischen Spitzen. An der Rahmenhandlung mit der Wette des Hagestolzes und etwas steifen englischen Wissenschaftlers Phileas Fogg, er werde innerhalb von 80 Tagen um die Welt reisen, änderte sie selbstverständlich nichts. Am Mittwoch, 2. Oktober, 1872 bricht Fogg mit seinem Diener Passepartout auf, ständig die Zeit im Nacken und begleitet von – Achtung, erste Abweichung! – Molly, einem Roboter. Foggs frankensteinartiges, nur sehr viel attraktiveres humanoides Geschöpf hat sogar Gefühle. Bei Molly laufen „die Platinen heiß“, wenn sie nur an ihren Herrn und Meister denkt. Im Laufe der Weltreise verwandelt sie sich in eine Rennfahrerin, Autoverkäuferin und andere Figuren und rettet ihrem Schöpfer wiederholt das Leben. Als indische Witwe wird sie selbst, wie in Vernes Roman, von Fogg vor dem Scheiterhaufen bewahrt, und am Ende heiraten die beiden sogar. Ein Happy End wie aus den Traumbüchern der Rosamunde Pilchers und Utta Danellas. Ständig verfolgt wird das Trio aber von Fixx, der im Auftrag des neidischen Akademiepräsidenten verhindern soll, dass Fogg die Wette gewinnt. Fixx verwandelt sich in Mafiaboss, Kamelhändler, Opiumhöllenbetreiber, sogar in eine Möwe und noch viele andere Gestalten. Gleich zu Beginn der Reise erfindet Fogg schnell den Eurotunnel unter dem Ärmelkanal, um rascher nach Paris zu kommen. Dann steigen die Weltreisenden um in den Hochgeschwindigkeitszug TGV und bewegen sich auch sonst öfter im Zeitraffer, wie es ja besonders japanischen Touristen nachgesagt wird („Europa in acht Tagen!“). Die irrste (hinzuerfundene) Station aber ist der Bauch eines Wals, wo die Reisegruppe auf die alttestamentarische Gestalt des Jona mit langem Bart und Büßergewand und die verlogene Kinderbuchgestalt Pinocchio mit ihrer langen Nase trifft. Irrwitzig ist auch ein Aufenthalt bei Außerirdischen im Weltall, wo Passepartout seine große Liebe, eine güldene Phantasiegestalt mit krakenartigen Armen, trifft. Dabei hatte Foggs Diener sich zunächst mit Händen und Füßen gegen einen Ausflug ins All gesträubt: „Außerirdische? Ne, das könnt ihr in Mannheim machen!“ (Bei der Düsseldorfer Premiere hat er vermutlich Richtung Köln gezeigt.) Andere Kabaretteinlagen nahmen Gegenwartsphänomene auf die Schippe wie digitale Vernetzung, geschmacklosen Mischmasch im „Karneval der Kulturen“, brutale Umweltzerstörung und das im Ansehen beschädigte amerikanische Präsidentenamt, um das sich der aus dem Walfischbauch gerettete Jona mit Pinocchio als Berater bewirbt. Die Vorstellung mit nur sieben Schauspielern, fünf in unzähligen Rollen, sprühte vor lustigen, manchmal auch albernen Einfällen. Zur kurzweiligen Unterhaltung trugen live vorgetragene Songs bei, begleitet von einer Combo. Von der ursprünglichen Besetzung waren nur Torben Kessler als Fogg und Jonas Friedrich Leonhardi als Passepartout nach Ludwigshafen gekommen. Durch die Umbesetzungen kam das Pfalzbau-Publikum in den Genuss, den auch als Fernsehschauspieler bekannten Regisseur und Texter Peter Jordan unter anderen in den Rollen eines alten Indianers und des französischen Meeresforschers Jacques Cousteau zu erleben. Langer kräftiger Beifall.

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