Ludwigshafen Operation am „Patienten“ Paprika

So blickt der Operateur am Da Vinci während des Eingriffs n den Patienten. Er sieht genau, was er mit den Instrumenten macht. Be
So blickt der Operateur am Da Vinci während des Eingriffs n den Patienten. Er sieht genau, was er mit den Instrumenten macht. Beim RHEINPFALZ-Besuch war eine Paprika der »Patient«. Aufgabe war, Kerne zu greifen und Gummibärchen zu entdecken.

Chirurgie-Chefarzt Stefan Willis drückt gerade selbst die Schulbank, damit er bis zum Jahresende alles weiß, um einen Da Vinci bedienen zu können. „Es ist wie bei der Digitalisierung. Die Chirurgie entwickelt sich dramatisch weiter. Es wäre ein Riesennachteil, wenn wir uns da abhängen lassen würden.“ Die Spannung steigt nach diesem Satz. Wie sieht ein solches Gerät aus? Urologie-Chefarzt Markus Müller dämpft die Erwartungen: „Durch die Technik wird ein schlechter Operateur nicht zu einem guten.“ Und Willis verdeutlicht: „Aber ein guter wird noch besser.“ Ein paar Minuten später – nach dem Umziehen für den Operationssaal – wird deutlich, was Willis und Müller gemeint haben. Auf dem Tisch liegt ein „Patient“. Der ist wenig anspruchsvoll. Es ist eine Paprika. Die Aufgabe der Profis, das sind Müller und seine Oberärzte Martin Koser und Daniel Thome, lautet: Die Kerne in der Paprika greifen. Man stutzt. Der Patient liegt in der Mitte des Raums, darüber schwebt der Roboter mit den vier Greifarmen, durch die in acht Millimeter große Löcher die Instrumente und die Kamera in den Körper eingeführt werden. Als Chirurg nimmt man aber zwei Meter weiter in der Ecke an einer Konsole Platz. Das ist komisch: Denn der fernseherfahrene Laienmediziner sieht den Arzt immer direkt am Patienten vor sich. „Das ist nur am Anfang ungewohnt.“ Dann erklärt Müller noch ein wenig. Da Vinci – der Name erinnert an den großen Maler (Mona Lisa) und Universalgelehrten, der von 1452 bis 1519 gelebt hat – ist nämlich vom Militär entwickelt worden. „Von den Leuten, die auch Marsroboter gebaut haben.“ Leitgedanke war: Ein Patient wird in einem Kriegsgebiet in einen Operationscontainer geschoben, an den Roboter angeschlossen, und in den USA sitzt der Chirurg an der Konsole und operiert. „Das läuft alles über Datenleitungen. Man muss also nicht direkt beim Patienten sitzen“, so Müller. Dort sind aber ein weiterer Arzt und eine Pflegekraft, die die Instrumente austauschen. Damit zurück in den Operationssaal im Klinikum und zur Paprika, die auf die Behandlung wartet. Bitte Platz nehmen. Müller hilft. Der Kopf kommt in eine Kuhle, sodass die Augen direkt ins Paprika-Innere gerichtet sind. Dafür sorgt eine Mikroskop-Kamera-Bildschirm Kombination, die das Innenleben um das bis zu 20-fache vergrößert und in 3D darstellt. Wow: Noch nie waren Paprikakerne so groß. „Man fühlt sich wie ein Zwerg im Patienten“, sagt Müller und grinst. Auch die Instrumente: Sie wirken wie Brummer, dabei sind sie millimeterkleine, filigrane Teile. „Die Vergrößerung ist elementar. Je mehr wir sehen, desto besser können wir arbeiten“, verdeutlicht er. Und die Konstruktion sei extrem wichtig: „Bei einem normalen Mikroskop werden Sie ab der 4,7-fachen Vergrößerung seekrank, weil es etwas vibriert.“ Da Vinci helfe dem Arzt, Nerven und Gefäße zu schonen – wenn etwa Tumore an Prostata, Niere, Blase, und dank des neuen Geräts bald auch am Darm entfernt werden. Das System ermögliche zwei Ziele bei Eingriffen in sehr sensiblen Körperbereichen: „Heilung und Lebensqualität.“ Müller nennt die Stichworte Erhalt von Potenz, Blasen- und Darmfunktion. Eben weil man mit Da Vinci so exakt arbeiten kann, die Greifarme sind stets ruhig, nichts ruckelt. Zumindest bei erfahrenen Profis, die nicht völlig überwältigt sind von dem, was sie auf dem Monitor sehen. Die Ellenbogen liegen dabei auf. Der Sitz kann eingestellt werden. „Das ist sehr ergonomisch und für den Arzt eine körperschonende Haltung“, verdeutlicht Müller. Geschafft. Ein Paprikakern ist in der kleinen Zange. Operation gelungen - scheinbar. Dass auf dem Weg dahin, das kleine Messer in der rechten Hand ein bisschen was von der Paprika weggeschnitten hat - geschenkt, zumindest hier beim Üben. Bei einer echten Operation muss alles haargenau passen. Wie das dann aussieht, zeigt Daniel Thome: Der Oberarzt setzt sich, in Windeseile arbeiten sich die Instrumente durch die Paprika, sortieren Kerne und bringen Gummibärchen zum Vorschein. Die hat der aufgeregte Besucher eben gar nicht entdeckt. Jetzt erst gilt: Operation gelungen, Gummibärchen gefunden. Willis und Müller hatten eben recht: Die Technik allein macht aus einem Anfänger keinen Profi. Aber die Experten haben nun noch ein zusätzliches Instrument für schwierige Eingriffe. „Damit sind wir ganz vorne mit dabei“, freut sich Willis.

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