Ludwigshafen Partyzeit im Fitness-Studio

Lächeln und nicht anmerken lassen, dass man die Schritte nicht kann: Doreen Reber beim Vito-Dance.
Lächeln und nicht anmerken lassen, dass man die Schritte nicht kann: Doreen Reber beim Vito-Dance.

«Neuhofen.» Wenn Victor Prieto seine „Bühne“ betritt, strahlen alle Frauen im Raum. Der rassige Fitnesstrainer ist gebürtiger Mexikaner und hat – vermutlich – eine doppelte Dosis südamerikanisches Temperament mit der Muttermilch aufgesogen. Damit füllt er den Fitnessraum im Studio Lieser – und spätestens, wenn südamerikanische Rhythmen aus den Boxen tönen, wippen die ersten Kursteilnehmerinnen mit den Hüften. Denn dann ist „Partytime“! Das sollte ich mir zumindest so vorstellen, erklärte mir Vito vor der Stunde. Vito – so nennen ihn hier alle und so heißt auch der Fitness-Sport, den ich ausprobiere. Es ist Vitos Eigenkreation, und die hat nur noch wenig mit Zumba zu tun. Darauf legt Vito wert. Zwar werden auch hier gemeinsam Tanzschritte in einer kurzen Choreographie zu südamerikanischer Musik getanzt, doch im Vergleich zu Vito-Dance ist Zumba „eher langsam und langweilig“. Das sagt Vito selbst und der ausgebildete Tanz- und Fitnesstrainer muss es wissen, denn er gibt seit vielen Jahren Zumba-Stunden. In der Region war Vito einer der Ersten, die Zumba-Kurse anboten. Ein Unterschied seiner Kreation zu Zumba sei, dass sich die Choreographien bei Letzterem wiederholen und leicht nachzutanzen seien. Vito-Dance sei dagegen sozusagen das nächste oder übernächste Level. Die Choreographien hat Vito entwickelt, er variiert sie und erschafft immer wieder neue Bewegungsabläufe. „Seid ihr gut drauf? Habt ihr Lust loszulegen?“, fragt Vito laut in die Runde. Die Antwort ist klar. Und schon springt er aufs Podest und legt los. Schnell bewegt sich alles an ihm, er hebt den Arm, deutet nach rechts – alle tanzen zwei Schritte in diese Richtung. Dann wieder zurück und das Gleiche in die andere Richtung. Die Frauen – Vito ist der einzige Mann im Raum – tanzen es nach, ganz leicht, ganz selbstverständlich. Vito hebt wieder den Arm. Hat er etwas mit den Fingern gezeigt? Ich weiß es nicht, bin zu sehr auf seine Füße fixiert, versuche, die Schritte und Fuß-Tipps zu zählen. Doch kaum habe ich den ersten Grundschritt kapiert, geht’s nach vorn, Arme hoch, runter und mitgeschwungen, rechter Fuß vor, dabei halb gedreht, zurück in die Ausgangsposition, Gewicht auf den anderen Fuß, nach vorn, halb gedreht, wieder zurück – ich bin raus, kann nur noch fasziniert zuschauen. Es gibt keine Anweisung, keine Erklärung – Vito tanzt, die anderen tanzen mit. Was hat er noch mal vor der Stunde zu mir gesagt? „Fühl Dich wie auf einer Party! So als hättest Du schon zwei, drei Tequila getrunken.“ Im Moment fühle ich mich, als würden alle anderen eine fremde Sprache sprechen – eine andere Tanzsprache. „Du hast zwei Möglichkeiten“, hat mir Vito auch noch gesagt, „entweder Du machst Deine eigene Party oder Du gehst.“ Letzteres ist keine Option. Zu sehr reißt mich die Musik mit. „Hauptsache, Du bewegst Dich“, klingen mir seine Worte noch in den Ohren. Und da ich gern tanze, früher auch aktiv in einer Jazz-Dance-Formation, fällt mir das nicht schwer. Also, mitmachen und bloß nicht auffallen. Hier und da erkenne ich Bewegungsabläufe aus Step-Aerobic, Hip-Hop, Cha-Cha-Cha oder Rumba. Erinnerungen aus der Tanzstunde kommen zurück. Und siehe da, bei der nächsten Wiederholung kann ich einen Teil mittanzen. Der Ehrgeiz ist geweckt, der Spaß steigt. Doch schon ist das Lied zu Ende. Alle klatschen, kurz was trinken, weiter geht’s. Hip-Hop-Beats wummern aus der Box. Beine auseinander, Knie gebeugt, Popo nach unten und nach vorn gehüpft, dann im Rhythmus nach vorn in die Luft geboxt – dazu den Oberkörper wie ein Hip-Hopper wippen. Es sieht richtig cool aus, wie Vito und die Frauen sich bewegen. Ich versuche mitzuhalten. Die Oberschenkel schmerzen, die Arme werden schwer, der Schweiß fließt. Und die Zeit verfliegt. Zu bis zu 16 Songs wird pro Stunde getanzt. Jeder hat Elemente aus einem anderen Tanzstil, darunter Pop, House, Rock ’n’ Roll, aus den Standard- und immer wieder aus den lateinamerikanischen Tänzen wie Salsa, Merengue oder hierzulande Exotisches wie Cumbia, ein Paartanz aus Kolumbien mit spanischen Einflüssen. Alles ist sehr intensiv, sehr variantenreich – und weit weg von „langsam“ oder „langweilig“. Das schrecke Anfänger manchmal ab, sagt Vito. Wer das erste Mal in seinen Kurs komme, komme entweder immer oder nie wieder. „Es ist eine Kopfsache“, sagt er. Als Kurstrainer könne er anspornen, aber die Entscheidung, die Schritte zu lernen und dabei zu bleiben, „die musst Du treffen.“ Mehr noch: Wie intensiv das Workout ist, bestimmt jeder selbst. Ich kann hoch hüpfen, mich tief beugen, schnell drehen – ich kann das alles aber auch mit halber Kraft machen. Schief angeguckt wird keiner, denn rechts und links die Nebenfrau abchecken, dafür ist gar keine Zeit. Jeder ist auf sich konzentriert. Aber warum erklärt Vito nicht die Schritte – wenigstens ab und zu? „Ich unterrichte hier nicht, sondern ich bin da, um Dich zu motivieren, Dich zu bewegen“. Ich habe verstanden. Die Herausforderung bei Vito-Dance ist, für sich etwas daraus zu machen. Wer gern tanzt, in der Gruppe Spaß haben, sich nach seiner Façon auspowern will und keine Scheu vor dem Prinzip „Learning By Doing“ hat – für den ist Vito-Dance genau das Richtige. Und es muss ein wahrer Jungbrunnen sein, anders ist nicht zu erklären, warum der 53-jährige Trainer aussieht, als wäre er allenfalls Ende 30. Schon das motiviert. Das Fitness-Studio Lieser Frank Lieser (63) hat das Studio 1986 in Rheingönheim eröffnet. Vor zwei Jahren hat sich das Unternehmen vergrößert und in Neuhofen, Industriestraße 22, in einen Neubau investiert. Mit 3200 Quadratmetern wurde die Fläche fast verdreifacht. Bei Fitness-Lieser arbeiten sieben Festangestellte, sechs Auszubildende und etwa zehn freiberufliche Fitness-Trainer. Rund 2000 Mitglieder trainieren im Studio. Neben dem Training an Geräten und Personal-Training werden Kurse angeboten. Eine Mitgliedschaft kostet zwischen 59 und 79 Euro im Monat, außerdem gibt immer wieder besondere Angebote. Im Netz: www.lieser-fitness.de.

Fitnesstrainer Victor Prieto auf seiner „Bühne“.
Fitnesstrainer Victor Prieto auf seiner »Bühne«.
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