Ludwigshafen Ränder der Gesellschaft statt gewohnte Pfade

Wie kann man Glauben definieren? Wie können Kirchen die Menschen heute am besten erreichen? Darüber haben Kirchenpräsident Christian Schad und Bischof Karl-Heinz Wiesemann am Freitag im Heinrich-Pesch-Haus bei einer Podiumsdiskussion mit dem Thema „Die Verkündigung des Glaubens in der modernen Gesellschaft“ diskutiert.

„Ach, wenn ich doch glauben könnte.“ Mit diesem Stoßseufzer begann Christian Schad sein Statement und hatte die Lacher gleich auf seiner Seite. Dieser Satz begegne ihm sehr oft, führte der Kirchenpräsident aus, und drücke den Wehmut der Menschen über den Verlust des Glaubens aus. Denn der Glaube gebe der Existenz des Menschen Bestand und Festigkeit. „Es ist alles viel zu theologisch“, fand Bischof Wiesemann klare Worte für den Status quo der Kirche und den zunehmenden Glaubensverlust der Menschen. Diese suchten heute bei Glaubensdingen nach relativ einfachen Antworten. Als Lösungsansatz schlug Wiesemann vor, dass die Kirche ihre gewohnten Pfade verlassen und an die „Ränder“ der Gesellschaft gehen müsse. „Die Kirche ist nicht für die Perfekten, sondern für die Verwundeten auf dem Weg“, zitierte er Papst Franziskus. Gott komme dann ins Spiel, wenn die Verletztlichkeit der Menschen sichtbar werde. Nicht umsonst sei die Caritas deutlich beliebter als die katholische Kirche. Einig waren sich die beiden Kirchenrepräsentanten, dass man Glauben nicht erzwingen, befehlen oder aufdrücken, wohl aber gemeinsam entdecken könne, wo er lebendig sei. Schad und Wiesemann möchten die Menschen zu einem selbst verantworteten Glauben bringen. Als ein wichtiges Element der Glaubensvermittlung sahen die Diskutanten immer wieder die Sprache. „Mir muss die Gottesgeschichte zugesprochen worden sein, um mich darin zu orientieren“, erläuterte Schad und wies gleichzeitig auf die Sprachverantwortung hin, die die Kirche habe. Daher ist beiden Geistlichen auch weiterhin die Auslegung von Gottes Wort in der Predigt wichtig. Außerdem sei die Bedeutung von Gemeinschaft für die Bekenntnis von Glauben nicht zu unterschätzen „Es ist legitim, dass wir Texte und Lieder der Menschen im Gottesdienst zum Tragen bringen, wenn diese Sprache die Menschen anrührt“, sagte Schad. Entscheidend für die Glaubensvermittlung ist für Bischof und Kirchenpräsident letztendlich die Glaubwürdigkeit. „Wahrhaftigkeit ist der erste Akt des Glaubens“, betonte der Kirchenpräsident – wahrhaftig vor sich selbst und anderen. Für beide haben auch Großveranstaltungen wie Kirchentage ihre Berechtigung, da sie Menschen anrühren und in Berührung mit Glauben bringen. „Man kann von den Katholiken die Inszenierung von großen Gottesdiensten lernen, da hatte uns die katholische Kirche schon immer etwas voraus“, räumte Schad ein. Die Podiumsdiskussion fand im Rahmen der 61. Europäischen Tagung für Konfessionskunde statt, die sich vom 16. bis 18. März mit dem Thema „Perspektiven des Glaubens“ befasste. „Sie bereichern unsere theoretischen Diskussionen mit praktischen Beispielen aus dem Glaubensalltag“, dankte Mareile Lasogga, Direktorin des evangelischen Konfessionskundlichen Instituts in Bensheim, den beiden Geistlichen.

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