Ludwigshafen Reinen Herzens gegen Europa?

„Selig, die ein reines Herz haben.“ Das sagt Jesus aus innerer Erfahrung und in heilsamer Absicht. Diese Einsicht können viele Gläubige auch anderer Religionen und viele nichtreligiöse Menschen bestätigen. Allerdings könnte man diesen Satz auch als moralistische Keule missbrauchen. Gegen Menschen, die mit persönlichen Fehlern ringen. Aber im Ursprung ist Jesu Wort eine gute Art von Moral. Nun entsteht in der derzeitigen politischen Debatte leider der Eindruck, als käme da manches aus dunkel-trüben Regionen. Wie kann etwa die AfD-Sprecherin Frauke Petry reinen Herzens Nazi-Deutschland und die Europäische Union in eine Linie bringen? „Europa“, so sagte sie im Januar, „hat noch nie lange eine Vormacht geduldet, weder das napoleonische Frankreich, noch Nazi-Deutschland, noch Sowjetrussland, und es wird auch die Europäische Union, so Gott will, nicht länger dulden.“ Die Frage stellt sich: Zu welchem guten Ziel hin sollte sich „Europa“ von der Union befreien wollen? Wurde die EU doch mit viel Mühe vor allem dafür entwickelt, dass es keine waffenstarrenden Grenzen oder gar Kriege mehr gibt, etwa zwischen Frankreich, Italien, Deutschland und inzwischen auch Polen und Tschechien. Der Feind Europas war und ist der Schützengraben der Kriege. Die EU war und ist die gute Antwort darauf. Das muss klar bleiben. Nicht eine EU der Gurkenkrümmungsberechner, wohl aber die EU in ihren Grundlinien. Wer diese großartige Entwicklung abschütteln will und sie als ähnlich belastend wie die Diktatur Sowjetrusslands oder gar Nazi-Deutschlands einstuft, tut dies nicht reinen Herzens. Das sind keine naiven Versprecher. Die Journalisten haben bei diesem Zitat auch nicht gelogen, sondern nur gefilmt. Es geht einigen Populisten offenbar nicht um Reformen des Projekts der Einigung, sondern um seine Abschaffung. Hier legen einige Politiker Feuer an eine der wertvollsten Errungenschaften des 20. Jahrhunderts. Um die Einheit Europas ist aus humanistischem und christlichem Geist auf einem Trümmerfeld mit den Waffen der Sanftmut (noch so ein anstößiges Wort Jesu) und dem Wunsch nach Versöhnung und Frieden gerungen worden. Was bewegt Menschen in ihrem Innersten, die das nicht länger dulden wollen? Wird hier nicht das Kind mit dem Bade ausgeschüttet? Wie würden die Alternativen aussehen? „So Gott will“ gehen diese trüben Wünsche nach einem Zerfall der Union nicht in Erfüllung. Aber Frieden gibt es nicht im Sonderangebot. Er muss errungen werden. Dafür kann Jesu Hinweis auf die Reinheit der Herzen ein Anstoß sein. Der Autor Clemens Fiebig, 53, ist Pastoralreferent in Rheingönheim/Maudach . |Foto: privat

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